Nemti
meinen, ob wir einen Verdächtigen haben, muss ich Sie leider enttäuschen.«
»Ackermann, mein Name. Sie sollten einen Fallanalytiker vom Landeskriminalamt anfordern, wenn Sie nicht weiterwissen.«
Der Tonfall und der hintergründige Vorwurf, mit der Aufklärung der Verbrechen überfordert zu sein, missfielen Lukas.
»Wir werden im Bedarfsfall die richtigen Schritte einleiten und auf das Wissen erfahrener Kollegen zurückgreifen«, entgegnete Habermehl gelassen und goss Mineralwasser in ein Glas. Er trank es in einem Zug aus.
Nicht weit von Lukas entfernt erhob sich ein älterer Mann. »Husting, Rhein-Zeitung. Haben Sie davon gehört, dass die Leute dem Mörder einen Namen gegeben haben?«
»Da sind Sie besser informiert als ich.«
»Er wird der Schlitzer genannt.«
Lukas vermutete, dass von diesem Augenblick an der Schlitzer ein fester Bestandteil der Berichterstattung in der lokalen und überörtlichen Presse sein würde.
Die weitere Pressekonferenz verlief in einem halbwegs geordneten Tumult.
Lukas beobachtete Habermehl genau. Er war von dem auf den ersten Eindruck unscheinbar wirkenden Mann angetan. Mit welcher Kompetenz und Routine er die Fragen der Journalisten beantwortete, imponierte ihm. Auch ließ sich Habermehl nicht durch Fangfragen aus der Ruhe bringen, die ihm Informationen entlocken sollten, die er nicht geben wollte.
Plötzlich erhielt Lukas einen Stoß. Der korpulente Mann hinter ihm erhob sich und ächzte unter seinem Körpergewicht. Er hielt sich an Lukas’ Rückenlehne fest und brachte den Stuhl kurzzeitig ins Wanken. Lukas drehte sich um und warf dem Mann einen strafenden Blick zu.
»Dieckmann, Eifel Journal. Die Leute da draußen«, er zeigte aus dem Fenster, »beschweren sich, dass die Aufklärung der Morde nicht vorangeht. Sie haben Angst, auf die Straße zu gehen. Wann fassen Sie den Kerl endlich?«
Er erntete für diese kritische Bemerkung ein fleißiges Kopfnicken seiner Kolleginnen und Kollegen. Einige tuschelten miteinander, andere blickten erwartungsvoll zum Podium. Es fehlte nur noch, dass jemand applaudierte.
Lukas war auf Habermehls Reaktion gespannt.
»Alle sind herzlich eingeladen, uns tatkräftig bei unserer Arbeit zu unterstützen. Wenn uns jemand Hinweise geben kann, die uns voranbringen, dann will ich sie hier und jetzt hören.« Der letzte Satz klang ärgerlich. Habermehl zog ein Tuch aus der Hosentasche und tupfte über die Stirn.
Es folgte eine peinliche Stille.
»Herrschaften«, schaltete sich Frau Doktor Linus resolut ein. Mit einem durchdringenden Blick musterte sie Dieckmann. »Die Ermittlungsbeamten haben das volle Vertrauen der Staatsanwaltschaft und der Vorgesetzten von Herrn Habermehl. Es ist für die Ermittlungsbehörden wenig hilfreich, wenn hier Bemerkungen vorgetragen werden, die die Kompetenz der Kollegen infrage stellen. Also bitte keine ungerechtfertigten Kommentare oder gar Polemik. Wenn jemand sachdienliche Hinweise geben kann, die uns weiterbringen, dann hören wir gern zu. Ich stimme mit Hauptkommissar Habermehl völlig überein.«
Da niemand etwas zu sagen hatte, fuhr Habermehl fort. Er war wieder die Ruhe selbst. »Unsere Pressestelle hat eine Mappe zusammengestellt, die Sie auf Ihren Stühlen vorgefunden haben. Darin finden Sie alle nötigen Informationen. Mehr noch als Sie sind wir dringend auf die Mithilfe der Bevölkerung angewiesen. Deshalb einige konkrete Fragen. Erstens: Wer kann Hinweise zum Mord am Laacher Kopf geben, der am Nachmittag des dreizehnten August verübt wurde? Wer hat am dreißigsten August auf dem Parkplatz in der Nähe der Campinganlage am Laacher See etwas beobachtet? Hat sich dort jemand verdächtig benommen? Zweitens: In der Pressemappe ist ein Symbol abgebildet, mit dem der Täter die Opfer versehen hat. Wer kann uns dazu sachdienliche Hinweise geben? Das wären im Augenblick die dringendsten Fragen, auf die wir Antworten suchen.«
»Das sieht aus wie ein Hähnchenbein«, meinte jemand im Publikum und erntete damit verhaltenes Gelächter. Lukas brachte dafür allerdings kein Verständnis auf. Auch Habermehls Blick verdunkelte sich. Er kam aber nicht dazu, eine entsprechende Bemerkung zu machen, da ihn der Kriminalrat zurückhielt.
»Ich bitte mir ein wenig mehr Ernsthaftigkeit aus«, sagte Brückner scharf. »Zwei Menschen sind brutal getötet worden. Da kann ich ein gewisses Maß an Pietät erwarten.«
Brückners Worte zeigten Wirkung. Die Lacher verstummten umgehend. In der anschließenden Pause waren
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