Nemti
Seite. Die beiden unterhielten sich leise. Wahrscheinlich stimmten sie ein letztes Mal die Strategie für die Pressekonferenz ab. Aus Frau Doktor Linus’ Auftreten schloss Lukas, dass sie selbstbewusst und erfolgreich war.
Im Saal herrschte blankes Chaos. Es wimmelte von Reportern, und Lukas dachte unwillkürlich an Ameisen. Viele waren vom Platzregen überrascht worden, der kurz vor Beginn der Pressekonferenz niedergegangen war. Überall triefende Haare und nasse Kleidung. Die warme Luft im Raum vermischte sich mit der Feuchtigkeit zu einer schweißtreibenden Atmosphäre. Die Klimaanlage kämpfte vergeblich gegen die drückende Schwüle an.
Lukas hatte seinen Stuhl in der ersten Reihe entdeckt. Um hinzugelangen, musste er sich an etlichen Pressevertretern vorbeibemühen. Er war der Einzige, der ein Lächeln zustande brachte. Die anderen schauten ernst drein. Für seine entschuldigenden Worte, wenn er jemanden anrempelte, erntete er abschätzige Blicke. Wenig später erreichte er seinen Stuhl, zog das Jackett aus und lockerte die Krawatte. Er entfernte das Reserviert -Schild von der Sitzfläche und setzte sich.
Eine Polizistin bahnte sich mühselig einen Weg durch die Menge und stellte Namensschilder auf einen schweren Holztisch, der auf einem Podest stand.
Begleitet vom Blitzlicht der Fotografen betrat ein großer, drahtiger Mann den Saal, den Lukas noch nicht kennengelernt hatte. Er vermutete, dass es sich um Kriminalrat Wilhelm Brückner handelte. Ihm folgten Frau Doktor Linus und Habermehl.
Augenblicklich kehrte Ruhe ein. Diejenigen, die noch nicht Platz genommen hatten, suchten sich eilig eine Sitzgelegenheit. Nur einige Fotografen blieben an den Seiten und hinter den Stuhlreihen stehen.
Brückner erhob sich und blickte in die Runde. Er tupfte mit einem Finger gegen das Mikrofon. Ein dumpfes Pochen, dem das durchdringende Pfeifen einer Rückkopplung folgte, ließ die Anwesenden zusammenfahren. Alle Aufmerksamkeit richtete sich augenblicklich auf ihn. Er begrüßte die zahlreich erschienenen Pressevertreter. Die Folge war ein weiteres Blitzlichtgewitter. Der Kriminalrat fasste sich kurz, stellte Fritz Habermehl als den leitenden Kommissar vor und erteilte ihm das Wort.
Seelenruhig wartete Habermehl, bis die Fotografen ihre Arbeit getan hatten. Jede Faser an ihm strahlte Ruhe und Selbstsicherheit aus. Vom Scheitel bis zur Sohle verkörperte er nicht unbedingt das Ideal eines Kriminalbeamten, sondern eher den Heinz-Erhardt-Typ. Seine braunen Augen waren stets wachsam und fixierten die Personen im Saal. Lukas hatte von Weinbrecht erfahren, dass er mit seinem gewinnenden Lächeln und seinen außergewöhnlichen Fähigkeiten die Fälle zu lösen, in der Inspektion über großes Ansehen verfügte. Wenn es überhaupt einen Makel an ihm gab, dann höchstens die Halbglatze, auf der er ständig mit einem Tuch Schweiß abzuwischen pflegte.
Habermehl ließ den Blick über die Köpfe der Reporter schweifen. Er wartete, bis er das volle Interesse der Anwesenden hatte. Sein sonorer Bariton klang über die Lautsprecher klar bis in die letzte Reihe.
»Meine Damen und Herren, in Ihren Blättern ist in den letzten Tagen mehr oder weniger ausführlich über die Morde berichtet worden. Sie wissen also, worum es geht. Ich fasse kurz zusammen: Das erste Opfer war Armin Baertel, achtundvierzig, getötet am dreizehnten August am Laacher Kopf. Das zweite Opfer, Letizia Domasch, siebenunddreißig, wurde am dreißigsten August umgebracht. Tatort: neben der Straße von Wassenach nach Glees …«
»Max Meier, Trierischer Volksfreund. Haben wir es mit einem Serienmörder zu tun?«
»Wenn wir die Tatumstände berücksichtigen, dürfen wir wohl von ein und demselben Täter ausgehen.« Habermehl verriet mit keiner Miene, ob ihn die Unterbrechung ärgerte.
Der Journalist war mit der Antwort nicht zufrieden und hakte nach. »Ich hatte nach einem Serienmörder gefragt. Wird es noch weitere Morde geben? Was ist Ihre Meinung?«
»Ob man nach zwei Verbrechen von einem Serienmörder sprechen sollte, lasse ich dahingestellt. Und ob er weiter töten wird – das müssen Sie ihn fragen. Was wollten Sie noch wissen?«
»Ich hatte nach Ihrer Meinung gefragt.«
»Meine Meinung dazu ist irrelevant. Es geht um Aufklärung und Fakten.«
Der Journalist versuchte, noch etwas einzuwenden, doch eine junge Frau kam ihm zuvor. »Eifel-Zeitung, Müller-Wilkens. Gibt es konkrete Anhaltspunkte, die auf einen Täter hindeuten?«
»Wenn Sie damit
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