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Nenn mich einfach Superheld: Roman (German Edition)

Nenn mich einfach Superheld: Roman (German Edition)

Titel: Nenn mich einfach Superheld: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alina Bronsky
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winkte aus dem Fenster, und irgendwas an seinem dunklen Umriss störte mich. Der Summer summte, obwohl ich eigentlich nicht vorhatte, reinzukommen. Dirk hatte den Wagen mitten auf der Straße mit laufendem Motor stehen gelassen und stieg hinter mir die Treppe hoch. Dabei fühlte er sich sichtlich unwohl. Wahrscheinlich hatte er Claudia doch ganz schön lieb, wenn er das alles für sie auf sich nahm. In mir keimte eine Vorstufe zur Anerkennung.
    Mein schrecklicher Verdacht bestätigte sich, als ich durch die Wohnungstür trat. Kevin hatte mehrere kleine Taschen im Flur aufgereiht, jede mit einem Perlen-Anhänger geschmückt. Leider war er selbst komplett nackt.
    »Bist du etwa noch nicht fertig?« brüllte ich. »Denkst du, der Zug wartet auf dich?«
    »Ich bin fertig«, sagte Kevin.
    Ich hob ein T-Shirt vom Boden auf und warf es ihm zu.
    »Doch nicht das«, jammerte er, aber dann sah er mich kurz an und streifte es sich ruck, zuck über. Danach machte er sich fast freiwillig auf die Suche nach einer Hose. Ich schaute in die Küche, sie war sehr eng, aber perfekt aufgeräumt. Dass Kevin hier mit einem Partner leben sollte, wollte nicht in meinen Kopf. Schließlich fühlte ich mich immer noch als Claudias Muttersöhnchen und hatte gerade erst gelernt, wie die Waschmaschine angeht. Andererseits war ich etwas jünger.
    »Ich bin fertig«, wiederholte Kevin stolz. Ich nickte: Diesmal hatte er eine Jeans an. Sie war unter den Knien abgeschnitten, die Fransen hingen neckisch herunter.
    Ich packte zwei Taschen, Kevin die restlichen drei. Dirk, den ich im Treppenhaus vergessen hatte, murmelte etwas von Sich-behilflich-machen. Kevin hatte schon die Tür hinter sich zugezogen, schrie aber plötzlich gellend auf.
    »Was noch?!?« brüllte ich.
    »Vergessen«, jammerte Kevin, »ich habe den Kongo vergessen.«
    Er zog einen Schlüssel, den er an einer Schnur um den Hals trug, unter dem T-Shirt hervor, bückte sich und schloss die Wohnungstür auf, ohne die Schnur vom Hals zu nehmen. Er raste hinein, ich, Drohungen brüllend, ihm hinterher. Kevin rannte in die Küche, riss einen Napf vom Boden, der voll mit klebrigen Fruchtkringeln war, und leerte ihn in eine bereitstehende Tüte, bereits zur Hälfte mit den gleichen Kringeln gefüllt. Dann schüttete er frische aus einem Karton in den Napf und richtete sich lächelnd auf.
    »Kongo schlägt hier alles kurz und klein, wenn er nichts zu essen kriegt.«
    »Ist Kongo eine Katze?« fragte ich mit schwacher Stimme.
    Kevin schüttelte den Kopf.
    »Ein Hund?«
    Wieder Kopfschütteln. Ich beschloss, dass ich es eigentlich auch gar nicht wissen wollte.
    »Eine einzige letzte Frage noch, was soll das da?« Ich zeigte auf die Tüte mit den bereits umgefüllten Kringeln, die eben noch im Napf gewesen waren.
    »Die«, sagte Kevin, »hat Kongo schon gegessen.«
    An dieser Stellte setzte bei mir etwas aus.

    Die Einzigen, die von ihren Eltern zum Bahnhof begleitet wurden, waren Janne und Friedrich. Jannes Mutter unterhielt sich mit dem Guru. Auch aus der Entfernung konnte ich sehen, dass der Guru schwitzte. Statt seines Huts trug er jetzt eine Kappe, die er immer wieder nervös vom Kopf riss. Wahrscheinlich hatte er bis zuletzt gehofft, dass keiner kommt.
    Friedrichs Vater überragte alle. Seine Haare glänzten silbern wie ein Helm an seinem Schädel, und mit dem Scheitel und dem ergrauten Schnauzbart hatte er etwas von einem gealterten Hitler-Jungen. Ich hätte diesen Mann niemals für Friedrichs Vater gehalten, wenn Friedrich sich nicht zu mir durchgekämpft und mich dem Hitler-Opa vorgestellt hätte, zu dem er Papa sagte.
    Friedrichs Papa schaute auf mich herab, und kein Muskel zuckte in seinem von Falten zerfurchten Gesicht. Er schüttelte mir mit sehr festem Griff die Hand, sagte aber, im Gegensatz zu Friedrich, nicht mehr viel. Eigentlich überhaupt gar nichts. Er war nach Janne der zweite Mensch, der mich in jüngster Zeit offenbar nicht einmal eines zweiten Blickes würdig hielt. Vielleicht hatte er vorher auf der Station für Brandopfer gearbeitet oder war Militärarzt gewesen. Aber dann hätte er vielleicht auch etwas gegen das Basallzellkarzinom unternommen, das sich über die linke Seite seiner Stirn ausbreitete. Vielleicht wollte er aber auch einen natürlichen Tod, in den keine Medizin reinpfuschte.
    Der Guru stellte sich auf die Zehenspitzen und zählte uns durch. Ich hatte Dirk in einem Anfall von Großzügigkeit erlaubt, mich zum Gleis zu begleiten, nachdem wir Kevin unter seinen

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