Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nenn mich einfach Superheld: Roman (German Edition)

Nenn mich einfach Superheld: Roman (German Edition)

Titel: Nenn mich einfach Superheld: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alina Bronsky
Vom Netzwerk:
Hände. Ich hatte das Gefühl, dass sie ganz leicht zitterten. Vielleicht war es aber auch einfach nur der ratternde Bummelzug. Ihr Rollstuhl stand zusammengeklappt zwischen dem Sitz und der Tür.
    »Habt ihr euren Spaß, ja?« fragte ich mit Grabesstimme und filmte, wie sich schlechtes Gewissen in ihre Gesichter schlich.

    Draußen gab es immer weniger Häuser und Menschen zu sehen. Ich stand im Flur und filmte vorbeirasende Birken und lang gezogene Seen. Der Guru tauchte an meiner Seite auf und nahm mir die Kamera weg.
    »Der Akku hält nicht ewig«, sagte er.
    Er stellte sich neben mich und lehnte sich exakt wie ich gegen die Haltestange. Ich sah ihn nicht an. Ich hatte große Lust, am nächsten Bahnhof auszusteigen und den ersten Zug zurück nach Berlin zu nehmen. Die Regionalbahn hielt in gottverlassenen Dörfern. Die vereinzelten Gestalten, die hier einstiegen, sahen irgendwie deformiert aus. Als ob ausgerechnet ich mich darüber beschweren dürfte. Hinter meinem Rücken perlte Jannes Lachen. Ich wollte am liebsten Amok laufen, und es war mir nicht einmal peinlich. Ich sollte mir ein Beispiel an Marlon nehmen: blamiert bis auf die Knochen und trotzdem cool.
    »Diese Woche wird das Leben ändern«, sagte der Guru von der Seite.
    Ehrlich gesagt interessierte mich gar nicht, was sich der Guru von dieser Woche versprach. Trotzdem fragte ich: »Ihres oder unseres?«
    »Sowohl als auch«, sagte er.
    Ich versuchte, nicht allzu breit zu grinsen. »Überhöhte Erwartungen haben noch niemandem geholfen.«
    »Ich habe ein bisschen Angst«, sagte der Guru.
    »Wovor jetzt?« Ich unterdrückte ein Gähnen. »Vor uns? Dazu ist es zu spät.«
    Er zog laut die Luft ein und sah dabei ganz schön deprimiert aus.
    »Das könnten immerhin ein paar spannende Aufnahmen werden«, sagte ich in einem plötzlichen Anflug von Mitgefühl.
    Er nickte wieder. Sein Gesicht verriet, dass er ganz fest vom Gegenteil ausging.

          Das Aussteigen ging, im Vergleich zur Abreise, relativ reibungslos über die Bühne. Wir hatten uns alle in einer von Richard vorgegebenen Reihenfolge im Flur aufgestellt. Alle hörten auf ihn, und der Guru sah dankbar aus, dass hier mal einer das Steuer übernahm, der auch das Zeug dazu hatte. Friedrich trug Jannes Rollstuhl und sah dabei unfassbar stolz aus. Der Guru hatte außer seinem Gepäck auch noch das von Friedrich und Marlon geschultert.
    Marlons Hand lag wieder auf meinem Oberarm. Es war kaum zu ertragen. Ich hasste es, angefasst zu werden. Auch der plötzliche Zusammenhalt unserer verkrüppelten Truppe war zum Weglaufen. Einer für alle, alle für einen. Ich wollte das nicht. Nicht mit ihnen und mit nirgendwem sonst. Mir war auch so schon übel.
    In kurzer Zeit hatten wir uns auf einem der beiden Gleise des winzigen Bahnhofs aufgereiht. Fehlte nur noch, dass wir uns paarweise aufgestellt und die Hände gereicht hätten. Der Guru zählte uns durch. Von seiner Stirn tropfte der Schweiß. Friedrich baute den Rollstuhl auf, als hätte er noch nie etwas anderes gemacht. Janne lächelte von Richards Armen auf uns herunter. Die Sonne schien.
    Es stellte sich heraus, dass wir einen Fußweg von etwa zwanzig Minuten zu unserer Unterkunft hatten. Für das Gepäck hatte der Guru einen Transport organisiert, glaubte aber offenbar selbst nicht daran, dass dieser eintreffen würde. Wir warteten draußen auf unseren Koffern, als ein Traktor mit einem Anhänger scheppernd auf den Parkplatz fuhr. Am riesigen Lenkrad saß ein Junge, der höchstens zwölf war, neben ihm ein bärengroßer zotteliger Hund. Eine Weile schauten wir einander fragend an, bis der Guru kapierte, dass dies der beim Bauern bestellte Transport war.
    Wir warfen unser Gepäck in den Anhänger, und der Traktor tuckerte davon. Wir liefen um den Bahnhof herum und entdeckten einen asphaltierten Weg, der an den Gleisen entlangführte und dann in den Wald abknickte. Der Guru verglich irgendwas auf seinen Zetteln mit den Hinweisschildern und schaltete die Navigation auf seinem Smartphone ein.
    »Ich kann dich ablösen«, sagte ich zu Richard, der sich hinter Jannes Rollstuhl postiert hatte. Er nickte gleichgültig und machte mir Platz.
    »Hast du mich gefragt?« fragte Janne mit einer unangenehm hohen Stimme.
    »Darf ich, Janne?«
    Sie biss die Zähne zusammen. Das wertete ich als Zustimmung. Nach den ersten Metern war ich schweißgebadet und vermutete, dass Jannes Mutter für ihre Traumfigur sicher nicht ins Sportstudio gehen musste.
    Die versprochenen

Weitere Kostenlose Bücher