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Nenn mich einfach Superheld: Roman (German Edition)

Nenn mich einfach Superheld: Roman (German Edition)

Titel: Nenn mich einfach Superheld: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alina Bronsky
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auch ihr Mann mit einem Au-pair-Mädchen durchgebrannt. Sie wollte jedenfalls das Gespräch über meine Stiefmutter nicht vertiefen, also fragte ich höflichst, woran sie denn gerade arbeitete. Sie übersetze ein Buch über Selbstmord, berichtete sie, das sei unglaublich intensiv geschrieben. Ich lobte das Thema und verriet ihr, meine Mutter sei Scheidungsanwältin.
    »Richtig«, sagte sie zerstreut, »von ihr habe ich schon gehört.« Von Claudia, stellte ich immer wieder fest, hatten sehr viele Leute schon einmal gehört. Offenbar stand es nicht sehr gut um die Institution Ehe.
    Ich trank meinen Tee aus und erhob mich. Janne und ihre Mutter kamen beide an die Tür, um mich zu verabschieden. Jannes Mutter sagte, sie sei glücklich, dass Janne auf unserer Fahrt in Gesellschaft von so wunderbaren jungen Menschen sein werde, dass es fast schon familiär sei. Dabei klang sie verdächtig wie der Guru, aber ich hörte großzügig darüber hinweg. Ich sagte ihr, dass ich gern ein von ihr übersetztes Buch lesen würde, wenn das über Selbstmord noch nicht fertig sei, dann gern ein anderes mit einem vergleichbaren Thema. Janne gab mir die Hand und zwang mich, mich zu bücken, damit sie mir zwei Küsschen auf die Wange geben konnte. In ihren Augen tanzten kleine Teufelchen. Ich bekam eine Ahnung davon, warum jemand Lust haben könnte, ein Mädchen zu würgen, in das er eigentlich verliebt war.

          Ich redete es Claudia dringend aus, mich zum Bahnhof zu begleiten. Ich sagte, mein Koffer sei überhaupt nicht schwer und ich könne das richtige Gleis garantiert alleine finden. Wenn was wäre, könnte ich jederzeit jemanden fragen (an dieser Stelle schob ich kurz meine Sonnenbrille in die Stirn, worauf Dirk zusammenzuckte). Claudia sagte genervt, sie müsse überhaupt nicht zum Gleis kommen, wolle mich aber wenigstens zum Bahnhof fahren, das sei sie mir und vor allem sich selbst und auch unserem, sie zögerte kurz, Gruppenleiter schuldig. Dem schulde sie am wenigsten was, sagte ich, der ist ein Arschloch und Betrüger, aber es sei immerhin ein hübsches Mädchen dabei. Claudia musste husten, ich klopfte ihr zwischen die Schulterblätter.
    Dirk warf ein, er könne es auch tun. Mich zum Bahnhof bringen. Ich fragte mich, wie er auf die Idee kam, dass seine Begleitung für mich weniger schlimm sein könnte als Claudias. Dann stellte sich heraus, dass er vermutete, ich würde mich vor Claudias Kontrolle fürchten.
    »Fahren Sie mich zum Bahnhof«, erlaubte ich ihm großzügig. »Meine Mutter ist um diese Zeit sowieso in ihrer Kanzlei unabkömmlich.«

    Es wurde komplizierter als vermutet.
    Am Vorabend, ich hatte schon alle Sachen in den Koffer geworfen, darunter sechs Sonnenbrillen in identischen Lederetuis, klingelte das Telefon. Ich ging davon aus, dass es mal wieder Janne oder zumindest ihre Mutter war, die sich vergewissern wollte, ob ich auch wirklich auf Janne aufpassen würde. Aber ich wurde enttäuscht. Am Telefon war Kevin, der mich freundlich fragte, wie ich zum Bahnhof zu kommen plane.
    Blöderweise sagte ich die Wahrheit. Er fragte, ob es mir was ausmachen würde, ihn abzuholen. Er wohne praktisch bei mir um die Ecke und sein Freund müsse arbeiten. Dabei nannte er einen Straßennamen, den ich noch nie gehört hatte. Ich hatte nicht wirklich eine Wahl.

          Claudia verabschiedete mich am Morgen mit Wangenküsschen und klopfte mir auf den Rücken, als wäre ich da hinten ganz staubig. Ich versprach, ihr eine SMS zu schicken, sobald ich angekommen sei. Dann war sie weg, und ich guckte immer noch auf die Stelle, auf der sie eben gestanden hatte.
    Dirk fuhr einen Zweisitzer ohne Dach. Es gab zwar eine Rückbank, aber auf die hätte höchstens ein Kleinwüchsiger gepasst, und den hatte unsere Krüppelgruppe nicht zu bieten. Ich wuchtete meinen Koffer in den winzigen Kofferraum. Kevin würde seinen hinten anbinden müssen, damit er hinter uns herrollte, dachte ich.
    »Wir müssen noch einen Mitreisenden abholen«, sagte ich förmlich.
    Dirk nickte, druckste herum und fragte schließlich nach dessen Behinderung.
    »Ich weiß nicht, wie man das nennt«, sagte ich. »Er ist eben ein Psycho. Angeblich ist er schon mal auf jemanden losgegangen, weil er Stimmen gehört hat. Außerdem ist er eine Tunte; ich weiß auch nicht, wie das zusammenhängt.«
    Von da an sagte Dirk nichts mehr.
    Kevin wohnte überhaupt nicht in der Nähe, sondern am Gesundbrunnen, im dritten Stock eines gelb angestrichenen Betonblocks. Er

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