Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nenn mich einfach Superheld: Roman (German Edition)

Nenn mich einfach Superheld: Roman (German Edition)

Titel: Nenn mich einfach Superheld: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alina Bronsky
Vom Netzwerk:
Taschen auf dem Rücksitz ausgegraben hatten. Vor allem, weil Dirk dann auch noch meinen Koffer schob. Ich trug immer noch einen Teil von Kevins Gepäck und kam mir dabei unerträglich schwul vor. Kevin stöckelte hinterher, mit einem Lächeln im Gesicht, das keinem konkret und allen gleichzeitig galt.
    Dirks Blick wanderte über unsere Köpfe, registrierte die Prothese, übersprang Friedrich, blieb fragend an Marlon hängen. Und kam dann bei Janne an. Ich sah, wie Dirk ausatmete, und wurde plötzlich eifersüchtig. Dass er Janne so angaffte, störte mich.
    »Vielen Dank und auf Wiedersehen.« Ich schüttelte ihm mit durchgedrücktem Arm die Hand, bevor er noch auf die Idee kam, mich zu umarmen.
    »Gern geschehen«, sagte er. Plötzlich tat er mir leid.
    »Pass auf Claudia auf und fütter meine Fische, Dirk«, sagte ich.
    Er nickte, wandte sich rasch ab und ging.

          Beim Einsteigen gab es ein Durcheinander wegen Janne. Der Guru hatte die Bahn über den Fahrgast mit eingeschränkter Mobilität informiert. Jetzt hatten sich zwei bullige Männer in Uniform vor ihr aufgebaut, und Janne schaute ihnen so entgegen, dass sie sich nicht trauten, irgendwas zu tun. Jannes Mutter stand daneben und hatte rote Flecken auf den Wangen.
    »Wir sind noch nie mit dem Zug gereist«, sagte sie, als ich näher kam.
    Jannes Gesicht verzog sich. Ich fürchtete, dass sie gleich losheulen würde. So selbstsicher sie sonst wirkte, so erschütternd hilflos kam sie mir nun vor. Und bevor ich wusste, was zu tun war, schob mich Richard mit der Schulter beiseite. Er hockte sich vor Janne und fragte sie leise etwas. Sie nickte und wischte sich mit dem Handrücken über die Augen. Richard stemmte die Füße gegen den Boden, bückte sich und nahm Janne mit Leichtigkeit hoch. Sie ruhte in seinen Armen wie Schneewittchen, das gerade aus dem Glassarg gehoben wurde. Friedrichs Vater machte währenddessen etwas mit dem Rollstuhl. Es klickte, und der Rollstuhl war plötzlich ganz flach und sah ziemlich leicht aus.
    »Hier«, sagte der Hitler-Opa und schob ihn mir in die Hände.
    Nein, so leicht, wie er aussah, war er doch nicht. Ich hatte Schwierigkeiten, ihn mit einer Hand zu halten. Ich hielt Ausschau nach meinem Koffer. Jannes Mutter zog ihn für mich heran. Jannes Stimme kam bereits von oben. Sie winkte fröhlich aus dem geöffneten Abteilfenster.
    »Schnell, schnell«, hetzte der Guru, und ich wuchtete den Rollstuhl hinein und sprang noch einmal herunter, um meinen Koffer zu holen.
    Die arbeitslos gewordenen Bahnhofshelfer trugen Kevins Taschen hinein. Ich drehte mich um. Marlon stand auf dem Gleis, teilnahmslos wie ein Getränkeautomat. Keiner schien daran zu denken, dass auch er Hilfe brauchen könnte. Neben seinen Füßen lag eine Sporttasche.
    Wir könnten ohne ihn abfahren, und er würde nichts sagen, einfach so stehen bleiben, schoss es mir durch den Kopf. Ich griff mit der einen Hand nach meinem Koffer, berührte mit der anderen Marlons Ellbogen. »Hier geht’s rein«, sagte ich.
    Er streckte den Arm nach mir aus, und seine Finger schlossen sich um meine Schulter. Sein Griff war fest, und für einen Moment bekam ich Panik, dass er mir das Schlüsselbein brechen würde. Der Guru brüllte aus dem Wagen, und Jannes Mutter hetzte zu uns und packte wieder meinen Koffer.
    »Schnell, schnell«, rief sie. Ich fragte mich, ob sie sich dabei eher um uns oder eigentlich nur um Janne sorgte. Vielleicht erkannte sie gerade, welch wunderbaren jungen Leuten sie ihre kostbare Tochter anvertraut hatte.
    Ich nahm ihr meinen Koffer wieder ab und kletterte mit Marlon im Schlepptau ein zweites Mal in den Zug. »Vorsicht, Stufe«, sagte ich verspätet, als er schon fluchte und mich für einen Moment losließ. Jannes Mutter hob Marlons runtergefallene Tasche auf. Ich drehte mich kurz um: Offenbar überlegte sie, ob sie es wagen sollte, Marlon von hinten anzuschieben. Aber zum Glück ließ sie es sein.
    Wir standen schnaufend im Waggon, die Tür klappte vor unseren Nasen zu. Ich winkte Jannes Mutter. Ihr Lächeln war gequält und erleichtert zugleich. Sie knüllte ein Taschentuch in der Hand zusammen. Friedrichs Hitler-Papa näherte sich ihr mit großen Schritten und tätschelte tröstend ihren Ellbogen. Dann schob sich das Gleis aus unserem Blickfeld.
    Ich sicherte Marlons Hand auf meiner Schulter und bewegte mich zu unserem Abteil. Er sagte immer noch nichts, und ich begann zu ahnen, was ihm dieser ganze Morgen abverlangt haben musste.

    Ich schob die

Weitere Kostenlose Bücher