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Nenn mich einfach Superheld: Roman (German Edition)

Nenn mich einfach Superheld: Roman (German Edition)

Titel: Nenn mich einfach Superheld: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alina Bronsky
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zusammengekniffen, und die Mundwinkel hingen herunter. Es würde mich nicht wundern, wenn er eines Morgens einfach verschwunden sein würde und wir dann feststellen müssten, die Miete für die Villa ist nicht bezahlt und unsere sämtlichen Wertsachen sind weg.
    Ich schaltete die Kamera aus und setzte mich wieder auf meinen Platz. Die Platte mit den Kartoffeln war leer. Die Pfanne mit den Kalbsschnitzeln auch. Friedrich, dachte ich wütend und schaute über den Tisch hinweg auf Jannes Teller.
    »Willst du das nicht mehr? Kann ich es haben?«
    Sie schob es zu mir rüber, ohne mich anzusehen. Ich aß mit ihrer Gabel von ihrem Teller und schaute sie die ganze Zeit an, bis sie verächtlich den Kopf schüttelte.
    »Was?« fragte ich.
    »Nichts. Du bist noch so klein und schon so ein Ekel.«
    Das sagte ja genau die Richtige.

          Im Haus gab es einen Holzofen, aber keine Spülmaschine. Deswegen sollte Friedrich Feuer machen und ich den Abwasch. Wir protestierten beide, aber der Guru machte auf autoritär und ließ nicht mit sich reden. Er band seine Schürze auf und reichte sie mir. Ich nahm sie und warf sie auf den Tisch. Dann stellte ich mich ans Waschbecken.
    »Ich habe bestimmt seit zehn Jahren kein Geschirr mehr von Hand gespült.«
    »Dann wird’s mal wieder Zeit.« Er beobachtete gerade, wie Friedrich ein großes, rundes Holzstück in den Ofen legte und ein langes Streichholz aus einer Schachtel herauszog. Es zischte, das Streichholz brach ab, Friedrich ließ die Schachtel fallen, und die restlichen Hölzer verteilten sich auf den Dielen.
    Ich war mir nicht sicher, ob ich es besser hingekriegt hätte, deswegen lachte ich nicht.
    Ich ließ heißes Wasser ins Spülbecken laufen und tropfte Spülmittel dazu. Marlon saß immer noch am Tisch. Es war fast, als würde er mir zuschauen. Der Guru schnalzte bedauernd mit der Zunge, als Friedrich das fünfte Streichholz versaute, und drückte Marlon ein Geschirrtuch in die Hand.
    »Hilf Marek abtrocknen.«
    Zu meiner Überraschung widersprach Marlon nicht. Er stellte sich neben mich, viel zu nah, ich rückte ein wenig beiseite. Ich drückte ihm tropfnasse Teller in die Hand. Er trocknete sie ab und stapelte sie neben sich. Der Guru dokumentierte die Kooperation zwischen Blind und Entstellt.
    Ich tauchte die Hände in warmes Schaumwasser und beobachtete, wie Richard mit einem kleinen Hölzchen und einem Stück Papier am Ofen auftauchte. Er schob den fast heulenden Friedrich beiseite, kniete sich hin und stapelte die Hölzer zu einer Art Zelt auf. Wenig später tanzten Flammen hinter der Glasscheibe, die Richard mit einem feuchten Tuch sauber rieb.
    »Sehr gut, Richard«, rief der Guru, und man hörte den früheren Kindergärtner deutlich heraus. »Mach dir nichts draus, Friedrich.«
    Richard blickte irritiert zu ihm auf, und der Guru verstummte beschämt. Dann breitete sich auf Richards Gesicht plötzlich ein Lächeln aus. Hinter meinem Rücken ertönte das typische Geräusch, das Jannes Räder auf den Dielen machten.
    »Ist dir kalt?« fragte Richard und richtete sich auf, um Janne zum Feuer durchzulassen. Sie schüttelte den Kopf, fuhr aber näher heran und starrte gierig in die Flammen. Hätte Janne auf diese Art einen See angeschaut, hätte ich sie festgehalten, damit sie nicht hineinsprang. Der Guru umrundete sie mit der Kamera. Sie straffte sofort die Schultern und schob sich eine schwarze Locke aus der Stirn.
    Marlon hatte sie auch gehört. Sein ganzer Körper spannte sich an. Ich hatte das Gefühl, dass er vibrierte.
    »Brauchst du noch lange?« fragte ihn Janne, als ob er hier ganz allein wäre.
    Er kann es doch gar nicht sehen, hätte ich beinah gesagt. Andererseits hatte er vielleicht die Teller mitgezählt. Was wusste ich schon darüber, wie er die Welt wahrnahm. Was wussten wir alle hier überhaupt voneinander.
    »Wir sind fertig«, sagten wir gleichzeitig.
    »Hast du mein Zimmer schon gesehen?« fragte Janne Marlon. »Magst du?«
    »Ja«, antwortete Marlon, und dann wurde es so still, dass wir das Feuer knistern hörten.

          In dieser Nacht bekam ich kein Auge zu. Ich wälzte mich in meinem Bett herum, warf die Decke ab, suchte sie auf dem Boden, riss das Fenster auf, schloss es wieder. Ich schaffte es kaum, ganze zehn Minuten ruhig zu liegen. Mein Herz klopfte irgendwo im Hals und drohte, dort stecken zu bleiben. Ich drehte mich zur Wand, um Marlons leeres Bett nicht sehen zu müssen. Die Tagesdecke mit den gestickten Zitronen und Papageien

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