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Nenn mich einfach Superheld: Roman (German Edition)

Nenn mich einfach Superheld: Roman (German Edition)

Titel: Nenn mich einfach Superheld: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alina Bronsky
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lag immer noch darauf, das Kissen bewahrte die Mulden, die Marlons Hinterkopf hinterlassen hatte.
    Marlon war bei Janne. Die ganze Nacht. Ich verbot es mir, rauszugehen und durch die Villa zu schleichen. Das Ohr an Jannes Tür zu drücken. Reinzustürmen und alles kurz und klein zu schlagen. Zwischendrin konnte ich sogar Tränen nicht zurückhalten und heulte ein paar Minuten wie ein verwundetes Tier, bis ich mir einen Zipfel von der Decke in den Mund stopfte. Draußen war es still, ich fühlte mich wie der letzte Mensch auf der Welt.
    Marlons Tasche stand immer noch unausgepackt neben dem Bett. Auf seinem Nachttisch lag ein iPod mit Kopfhörern. Mir fiel nichts Besseres ein, als ihn zu nehmen und aus dem Fenster zu werfen. Er schlug mit einem dumpfen Geräusch im Blumenbeet auf.
    Nach einer weiteren Stunde bekam ich Skrupel. Ich zog meine Hose an und schlich mich aus dem Zimmer. Um rauszugehen, musste ich an Jannes Zimmer vorbei. Das Parkett quietschte unter meinen Füßen. Überall war Stille. Außer mir schliefen alle.
    Ich schob vorsichtig die schwere Eingangstür auf, konnte aber nicht verhindern, dass sie mit einem dumpfen Ton zuschlug. Ich kroch zwischen den Rosen unter meinem Fenster herum und fand den iPod nicht. Ich suchte alles ab, er war einfach weg. Ich legte mich auf die Wiese und streckte alle viere von mir. Das Gras war feucht, und die Kälte kroch mir unter die Haut. Ich schloss die Augen.
    Und riss sie wieder auf, als die Tür erneut zuschlug. Auf der Treppe stand Richard in einer engen Sporthose und ärmellosem Shirt. Es war plötzlich hell, viel zu hell. Ich musste eingeschlafen sein. Ich riss die Hände vor mein Gesicht. Richard sah mich ziemlich gleichgültig an. Seine Beine waren, von der Prothese abgesehen, ein knotiges Muskelgeflecht. Das lange Haar wurde von einem Stirnband zurückgehalten.
    »Wie spät ist es?« fragte ich von der Wiese.
    »Halb sieben.« Er winkte und setzte sich in Bewegung. Ich rappelte mich mühsam auf und stolperte die Treppe hoch.

    Der Nächste, den ich sah, war Kevin. Sein freundliches Gesicht mit dem grell geschminkten Mund hing über mir.
    »Brüll nicht so, ich bin’s doch nur. Früüüühstück«, sang er melodisch und zog an meiner Decke. Ich krallte mich von der anderen Seite daran fest und zog sie zu mir. Ich wollte nicht nackt vor ihm liegen.
    »Wie spät ist es?« krächzte ich. Meine Lippen fühlten sich an, als hätte sie jemand in der Nacht zusammengekleistert.
    »Zehn«, sagte Kevin. »Alle warten schon.«
    Er blieb neben dem Bett stehen, neigte den Kopf und guckte mich an, als hätte er vor, das Zimmer nur mit mir gemeinsam zu verlassen. Ich zog mir die Decke bis unters Kinn.
    »Geh raus.«
    »Bitte schön.« Er stöckelte beleidigt davon.
    Ich ließ den Kopf von der Bettkante hängen und sah auf den Boden, auf dem meine vom Tau noch nassen Klamotten lagen. Dann auf Marlons Bett. Darauf war jetzt ein feuchtes Handtuch ausgebreitet. Die Tasche stand noch an ihrem Platz, aber der Reißverschluss war aufgezogen.
    Er war da gewesen, dachte ich zähneknirschend. Er hat geduscht und mich beim Schlafen angeschaut.
    Quatsch, kann er ja gar nicht.
    Mein Kopf war so schwer, dass ich am liebsten zurück ins Kissen gefallen wäre. Die Augen fühlten sich an, als hätte jemand einen halben Sandkasten reingestreut. Ich schloss die Augen und stellte mir vor, wie meine Faust in Marlons Gesicht flog. Ich leckte mir die Lippen, jetzt schmeckten sie salzig.

          Sie saßen in der Tat schon an dem gedeckten Frühstückstisch. Allesamt gut gelaunt wie noch nie zuvor. Der Guru erzählte einen Witz, von dem ich nur das Ende mitkriegte, an dem rein gar nichts komisch war. Die Kamera war nirgends zu sehen. Kevin stand am Herd und briet Spiegeleier. Es roch nach gerösteter Butter und verbranntem Holz.
    Ich rückte die Sonnenbrille auf der Nase zurecht. Sie hatten alle die Plätze von gestern eingenommen. Janne trug ein weißes Kleid, ihre schwarzen, noch etwas feuchten Haare fielen auf die Schultern. Sie sah nicht auf, als ich reinkam. Sie war ja auch abgelenkt. Marlon beugte sich zu ihr herunter und flüsterte ihr etwas ins Ohr, sie nickte und lächelte. Ich steckte die geballte Faust in die Hosentasche.
    »Was ist denn mit dir passiert?« fragte der Guru fröhlich. »Schlecht geschlafen?«
    »Super geschlafen.« Ich schenkte mir ein Glas Orangensaft ein.
    »Ich habe einen iPod vorm Haus gefunden, wem gehört er?« Der Guru hob das kleine silbrige Teil in die

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