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Nenn mich einfach Superheld: Roman (German Edition)

Nenn mich einfach Superheld: Roman (German Edition)

Titel: Nenn mich einfach Superheld: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alina Bronsky
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meines Gesichts war er offenbar vorgewarnt gewesen. Richard hatte darauf bestanden, ins Sprechzimmer mitzukommen, er traute mir wohl gar nicht mehr über den Weg. Der Arzt sagte, dass ich keine Brüche hätte, nur Prellungen und blaue Flecken und vielleicht eine leichte Gehirnerschütterung. Er könne mir aber gern die Wunde an der Augenbraue nähen, nicht aus medizinischen, sondern eher aus kosmetischen Gründen. Ich sah ihn misstrauisch an. Er zuckte nicht mit der Wimper.
    »Geht schon«, sagte ich. »Sehr nett von Ihnen.«
    Er ließ mich erst gehen, nachdem er mehrere Rezepte für kühlende, abschwellende und schmerzstillende Salben ausgefüllt hatte. Die nächste Apotheke war im Nachbardorf und der Bauerjunge mit dem Traktor schon wieder weg. Ich warf die Rezepte in den Mülleimer an der verwaisten Bushaltestelle.
    »Ich hab euch doch gleich gesagt, ich bin okay«, sagte ich zu Marlon und Richard.
    »Hast du da drin überhaupt etwas, was man erschüttern könnte?« Richard deutete auf meinen Kopf. Ich hätte ihm antworten können, wusste sogar schon, was. Aber ich sagte nichts. Ich wunderte mich nur still darüber, warum hier alle plötzlich auf mir herumhackten. Selbst an Friedrich hatten sie weniger auszusetzen. Ich hatte zwar nicht vorgehabt, hier zum Everybody’s Darling aufzusteigen, aber als asoziales Element, das man ständig kontrollieren musste, stand ich nun zum ersten Mal da.
    Zurück gingen wir zu Fuß. Es dauerte nicht halb so lang wie mit dem Traktor. Marlon war in unserer Mitte, schnalzte ab und zu mit der Zunge und stolperte nur einmal. Wieder sprachen wir nicht miteinander.

          Die anderen hatten einen Stuhlkreis auf der Wiese aufgebaut, mit einem freien Platz für Jannes Rollstuhl. Der Guru schrieb eifrig auf einem Notizblock mit. Friedrich erzählte. Die Kamera war nirgends zu sehen.
    Alles wie immer, dachte ich. Alles in Ordnung.
    Meine Verletzungen seien nicht lebensbedrohlich, beantwortete Richard die Frage im Blick des Gurus und ging zum Geräteschuppen, um mehr Stühle zu holen. Der Guru wischte sich mit der Hand über die Stirn.
    »Ihr seid aber früh zurück.« Wahrscheinlich hatte er sich darauf gefreut, sich den ganzen Nachmittag von uns erholen zu können.
    »Du siehst ja furchtbar aus«, sagte Kevin zu mir und schirmte seine Augen mit der Hand ab. »Ich kann gar nicht hinsehen!«
    Seltsamerweise war ich gerührt. Obwohl ich nur wenige Stunden weg war, freute ich mich darüber, sie zu sehen. Sie freuten sich auch, dass ich noch lebte und ihnen die Woche nicht durch meinen leichtfertigen Tod versaut hatte. Wir waren eine große, glückliche Familie, in der schon mal ein Bruder den anderen verprügelte, es aber im Grunde liebevoll meinte.
    Nur die Schwester saß mit abgewandtem Gesicht da und verdarb die Wiedersehensfreude.
    Wir setzten uns in den Stuhlkreis, der für uns ausgeweitet wurde.
    »Ich weiß nicht, wie es weitergehen wird«, fuhr Friedrich fort. »Am Ende kommt es bei meinem Krankheitsbild zum Tod durch multiples Organversagen, wie bei meinen zwei Onkeln väterlicherseits.«
    Marlon atmete laut und langsam aus. Friedrich verstummte verunsichert.
    »Aber du besuchst eine reguläre Schule?« fragte der Guru, dem wieder einfiel, dass er gerade eine Art Interview führte, das wir unterbrochen hatten.
    »Ich versuche es«, sagte Friedrich. »Immer, wenn ich gerade nicht krankgeschrieben bin oder stationär behandelt werde.«
    »Ich habe ganz, ganz furchtbare Angst vor Krankenhäusern«, meldete sich Kevin. »Vor allem, wenn man die Tür von innen nicht mehr aufmachen kann.«
    Ich drehte mich zu ihm, um nicht ständig in Jannes Schoß zu starren, auf die Falten ihres Kleides. Seltsamerweise mochte ich Kevin auf eine Art, die ich selbst am ehesten mit Mitgefühl verwechselte. Kevin sah aus, als würde es nicht mehr lange mit ihm gut gehen. Als müsste irgendwas Furchtbares passieren. Und dann würde er mir verdammt leidtun. Denn eigentlich war er die netteste Tunte, die ich je getroffen hatte. Allerdings auch die einzige. In den letzten 436 Tagen hatte ich ja praktisch niemanden mehr getroffen.
    »Und du, Janne«, sagte der Guru, »wovor hast du Angst?«
    Ich war sicher, dass sie nicht antworten würde. Aber sie wandte sich ihm zu und sagte: »Vor dummen Fragen.«
    »Stelle ich sehr viele dumme Fragen?« fragte der Guru einsichtig.
    »Geht so«, sagte Janne großzügig. »Am schlimmsten sind die Fragen, die nicht ausgesprochen werden, aber groß auf der Stirn geschrieben

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