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Nenn mich einfach Superheld: Roman (German Edition)

Nenn mich einfach Superheld: Roman (German Edition)

Titel: Nenn mich einfach Superheld: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alina Bronsky
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Warum eigentlich nicht.
    »Von mir aus«, korrigierte ich mich.
    Der Guru war nicht so leicht zu überzeugen. Offenbar hatte niemand mitgekriegt, warum Marlon mich von den Füßen gehauen hatte. Aber alle schienen überzeugt, dass er einen sehr guten Grund gehabt haben musste. Keiner machte ihm einen Vorwurf, und niemand drohte, ihn nach Hause zu schicken.
    »Ich kann auch mitkommen«, sagte Richard.
    »Wirklich?« Die Erleichterung des Gurus klang fast schon obszön. »Dann kann ich hier bei den anderen bleiben. Bevor sie sich auch noch zu Brei hauen.« Und er drohte Janne, die gerade am Horizont auftauchte, als hätte sie mit alldem nichts zu tun, spielerisch mit dem Finger.

    Bevor der Bauer kam, ging ich in unser Zimmer. Ich zog das T-Shirt mit den Blutflecken aus und weichte es in kaltem Wasser im Waschbecken ein. Ich drehte mich mit dem Rücken zum Spiegel und nahm die zerbrochene Brille ab, warf sie in den Papierkorb und holte eine neue aus meinem Koffer. Ich drückte mit den Fingerspitzen in meinem Gesicht herum. Einige Stellen waren geschwollen und fühlten sich tauber an als andere. Wahrscheinlich waren hier blaue Flecken. Über dem rechten Augenlid musste eine Schramme sein, aus der mir das Blut ins Auge tropfte. Ich feuchtete ein Handtuch an und machte alles sauber, so gut es eben ging. Dann verrenkte ich mich beim Versuch, meine Wirbelsäule abzutasten.
    Die Tür ging auf und fiel wieder zu. Ich drehte mich um. Marlon stand da, das Ohr in meine Richtung gedreht.
    »Ich bin hier«, sagte ich.
    »Ich weiß.«
    »Woher?«
    »Du schnaufst wie ein Nilpferd. Der Wasserhahn tropft, und gerade hast du ihn zugedreht. Außerdem trittst du von einem Fuß auf den anderen.«
    Ich hörte sofort auf damit.
    »Du bist so bescheuert«, sagte er.
    »Was für eine originelle Entschuldigung.«
    »Du verdienst keine Entschuldigung.« Marlon sprach langsam und gedehnt, als würde er etwas erzählen, was er selbst eigentlich nicht erwähnenswert fand. Aber wenn jemand so blöd war wie ich, dann musste er eben das Offensichtliche vorgekaut bekommen. »Mir war nicht ganz klar, dass du direkt an der Treppe standest und ich dich hätte umbringen können, aber ich schwöre, wenn ich es gewusst hätte, ich hätte es noch einmal genauso gemacht.«
    »Wegen Janne …«, begann ich.
    »Nicht wegen Janne. Deinetwegen. Weil du so bescheuert bist.«
    Ich hätte ihm gern widersprochen. Aber er war noch nicht fertig. Außerdem hörten wir den Traktor in die Einfahrt tuckern, und plötzlich hatten wir es beide eilig rauszukommen und stießen in der Tür zusammen.
    Er entriss mir seinen Ellbogen, als ich ihn stützen wollte, und lief mit der Hand am Geländer einige Schritte vor mir die Treppe hinunter.

          Wir saßen schweigend im Anhänger, der sich an Schafen und Kühen vorbei den asphaltierten Weg entlangschleppte. Zu Fuß wären wir schneller gewesen. Ich konnte das Gespräch mit Marlon nicht fortsetzen, weil Richard uns gegenüberhockte und eine Melodie pfiff. Was mir auf der Zunge lag, ging nur Marlon und mich etwas an.
    Also sagte niemand etwas, und das war mir auch recht. Vorn im Traktor saß wieder der kleine Junge, neben ihm der zottelige Hund. Es ruckelte, und jedes Mal, wenn ich gegen die Seitenfläche des Anhängers stieß, fuhr es mir wie ein Blitz durch den ganzen Körper.
    »Ich glaube, ich brauche wirklich keinen Arzt«, brach ich schließlich das Schweigen.
    »Einen Arschtritt brauchst du«, sagte Richard.
    Der Traktor hielt nach gefühlten zwei Stunden vor der Praxis eines Allgemeinmediziners, die in einem Fachwerkhaus untergebracht war. Ich fühlte mich wie ein Cocktail. Ich versuchte, beim Aussteigen nichts von meinem Inhalt zu verschütten, lehnte aber Richards stützende Hand ab. Marlon sprang herunter und lächelte fies, als er mich aufstöhnen hörte.
    »Nächstes Mal schmeiße ich dich die Treppe runter«, flüsterte ich.
    Jetzt lachte er aus vollem Hals. Ich wollte ihn treten und hätte es auch locker tun können. Aber ich tat es nicht.

    Im Wartezimmer saßen zwei alte Männer in schmutzigen Arbeitsoveralls, beide gestützt auf Gehstöcke. Es roch nach Kuhmist. Sie unterbrachen ihr Gespräch, als wir reinkamen, beäugten uns minutenlang und setzten es dann fort. Ich verstand kein Wort.
    Der Arzt, ein ziemlich junger fülliger Mann, drückte auf den blauen Flecken herum, drehte meinen Kopf zwischen seinen Handflächen nach links und rechts und leuchtete mir mit einer kleinen Lampe in die Augen. Wegen

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