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Nenn mich einfach Superheld: Roman (German Edition)

Nenn mich einfach Superheld: Roman (German Edition)

Titel: Nenn mich einfach Superheld: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alina Bronsky
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selbst hatte zu meiner Zeit jegliche Therapieangebote ausgeschlagen. Claudia hatte versucht, mich mit einem Heimkino und einer Amerika-Reise zu bestechen, wenn ich nur bereit wäre, meinen Seelenmüll bei Fachkräften abzuladen, aber ich war standhaft geblieben wie ein Marterpfahl. Bis ich dann auf die dümmste aller Lügen hereingefallen und in den Armen des Gurus gelandet war, um in einer Woche mein Leben mit komplett neuen Augen sehen zu lernen.
    Genauso wenig hielt ich von Trauerpuppen und vom Malen albtraumhafter Bilder und vom gemeinsamen Basteln. Ich war da ganz konservativ. Und ich hatte Ferdi einen Welpen versprochen, obwohl ich Hunde hasste.
    Ich trank meinen Espresso, der ganz passabel geworden war, und dachte wieder an Janne. Das Gefühl, sie vergessen zu haben, hatte mich getäuscht. Jetzt war sie wieder da, ich brauchte nur die Augen zu schließen, um sie auf den Innenseiten meiner Lider zu sehen, in einem langen Kleid, mit einem Blick, als würde auch sie mir am liebsten ein Ohr abbeißen, mit einem zarten Duft nach Limette, der so frisch war und so gut und so schlecht zugleich zu ihr passte.
    Ich kippte den Espresso herunter, spuckte ein paar Körner Kaffeesatz, die sich in meinen Mund verirrt hatten, ins Spülbecken, und lief auf Zehenspitzen nach oben. Ich wusste plötzlich, dass sie mir eine SMS geschickt haben musste, vielleicht genau in diesem Moment, vielleicht schon am Abend davor. Dass sie sich um mich Sorgen machte und die ganze Nacht wachgelegen hatte, auf eine Antwort wartend. Ich hatte ein schlechtes Gewissen und schwor mir im Laufen, Janne und das Telefon nie wieder zu vernachlässigen.
    Ich fand es nicht gleich, schaute in diversen Taschen nach, unterm Kissen und unterm Bett, bis es mir aus einer Socke entgegenfiel. Ich schaltete es ein und wartete, dass mir Nachrichten und verpasste Anrufe gemeldet wurden, wartete minutenlang, das Netz hatte sich nicht gleich wieder aufgebaut. Und irgendwann wurde mir klar, dass es nicht nötig war, länger zu warten, weil niemand angerufen und niemand etwas geschickt hatte.

          »Marek, mein Hase?« rief Tamara, als ich mit schweren Schritten wieder herunterging, um meine Kenntnisse des Kaffeekochens zu vertiefen. Drei, fünf Tassen wollte ich noch trinken, bis mir das Herz aus der Brust sprang, jetzt war mir alles egal. Ich wollte vergessen, dass ich der Mann im Haus war. Ich sah es nicht mehr ein. Ich hatte Ferdi die ersten sechs Jahre seines Lebens nicht gesehen, und im Grunde war es völlig unnötig gewesen, irgendetwas daran zu ändern. Ich hatte keine Lust, Tamara zu antworten, aber sie rief mich noch einmal.
    »Ist Claudi schon weg?« fragte sie, als ich durch die angelehnte Tür in ihr Schlafzimmer trat. Sie hatte geklungen, als ob sie noch im Halbschlaf lag, und genauso war es auch. Das Bett war riesig und die Wäsche getigert, darüber hing ein Spiegel und an der Wand gegenüber ein sogenannter erotischer Kalender. Bei einer anderen Gelegenheit hätte ich vielleicht einen zweiten Blick riskiert. An Tamaras Seite lag etwas Riesiges und Wuscheliges. Es stellte sich als ein mannsgroßer, zerfranster Teddybär heraus.
    »Dein bester Freund?« fragte ich, lehnte mich gegen die Tür, schaute Tamara an und würgte an plötzlicher Heiserkeit in der Kehle herum. Ich konnte die Frage, ob sie unter der Decke nackt war, nicht ganz verdrängen. Die beiden Arme und ein Bein schauten heraus, ein Haufen Kleidung lag auf dem Boden, die Schranktür stand offen, und von der Lampe hing ein Bügel mit einem Hello-Kitty-Teil herunter.
    »Ich kann sonst nicht einschlafen«, sagte Tamara dumpf. »Ohne ihn, verstehst du.«
    »Ich verstehe.« Ich konnte nicht aufhören ihr zuzuschauen, wie sie sich streckte und räkelte, die zerfransten Locken im Gesicht. Sie sah nicht aus wie eine Witwe.
    Sie streckte den Arm aus. Vielleicht einfach so, vielleicht aber auch, um mich näher zu winken. Ich kam also noch näher und setzte mich auf den Bettrand. Jetzt konnte ich sie riechen, ein wenig Schweiß und Parfum und ziemlich viel Frau, und mir wurde kurz schwindlig. Vielleicht fiel ich aus diesem Grund auf die Bettdecke.
    Sie hatte die Arme um mich geschlungen und drückte mich fest an sich. Ich schnappte nach Luft, mir entfuhr ein Ton, der mich selbst erschreckte. Tamara ließ mich abrupt los. Ich protestierte gegen das stechende Gefühl der Einsamkeit, das sich daraufhin einstellte. Ihre nackten Füße trampelten an mir vorbei ins Bad, das Wasser rauschte, ich hörte

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