Neobooks - Das Leben in meinem Sinn
innig.
Als unsere Kleine mit zwei Jahren begann, manchen Worten einen italienischen Akzent zu verpassen, sah sich Daniel in seinen Zweifeln bestätigt.
Doch ich gewann auch diesen Streit. »Meine Großmutter war Irin, Dan. Sie lebte auch bei uns im Haus, betreute meine Brüder und mich jeden Tag. Sie redete mit einem Akzent … ach, kein Wort hättest du verstanden. Und, klinge ich vielleicht irgendwie irisch für dich? Das legt sich schon wieder!«
Gott sei Dank hatte ich recht behalten. Josie spricht mittlerweile klarer als die meisten ihrer Freundinnen. Und ihr Wortschatz ist teilweise schockierend umfangreich.
Ein warmes Gefühl überkommt mich bei dem Gedanken an die Diskussionen mit Daniel. Ich liebe ihn, auch wenn wir als Paar nicht immer reibungslos funktionieren. Allerdings verstehe ich unsere unterschiedlichen Auffassungen sehr gut. Sie sind in unseren Wurzeln verankert, wie könnte es auch anders sein. Er ist als Einzelkind einer sehr vornehmen und auf Etikette bedachten Familie aufgewachsen, ich hingegen mitten auf dem Land, in einem Drei-Generationen-Haushalt, inklusive dreier Brüder und zwei Dutzend Tieren.
Ich liebe Daniel. Seine korrekte Art, die Ruhe, die er ausstrahlt, die Sicherheit, die er mir vom ersten Tag an vermittelt hat. Als mir nach nur vier Monaten Beziehung mit ihm klar wurde, dass ich schwanger war, flippte ich aus. Wirklich, ich stand am Rande eines Nervenzusammenbruchs. Endlich hatte ich es nach Amerika geschafft, endlich spielte ich die Rollen, nach denen ich mich mein Leben lang gesehnt hatte – und nun das. Daniel hingegen behielt die Fassung und versicherte mir, bedingungslos hinter meiner Entscheidung zu stehen, wie auch immer die ausfallen würde. »Du bist nicht allein! Wir packen das gemeinsam, hörst du? So oder so!«
Ich höre seine Worte bis heute, spüre, wie tief sein Blick ging, wie sanft seine Finger über meine Wangen schwebten. Und er hielt, was er versprach. Bedingungslos!
Daniel liebt Josie über alles. Nur leider ist er nicht allzu oft zu Hause. Wenn er weg ist, fehlt er mir sehr – ist er da, wünsche ich mir manchmal mehr Freiheit. Ein Dilemma, das wohl die meisten Paare kennen.
Auf Zehenspitzen tippele ich zu der angelehnten Tür des Kinderzimmers und öffne sie vorsichtig. Im schwachen Licht der Nachtlampe muss ich die Augen zusammenkneifen, um die Silhouette meiner schlafenden Tochter zu erkennen. Eine Weile blicke ich einfach auf das kleine Bett hinab, bevor ich mich daneben knie, um Josies entspannte Gesichtszüge zu betrachten. Ein Plan, der vermutlich aufgegangen wäre, würden meine Kniegelenke beim Beugen nicht immer so schrecklich knacken.
»Mommy, bist du wieder da?« Verschlafen blinzelt Josie und streckt ihre kleinen Arme nach mir aus. Nichts geht über dieses eine, ganz bestimmte Gefühl in meiner Brust, das sich immer dann einstellt, wenn sie nach mir verlangt.
»Ja, mein Schatz, ich bin wieder da.«
»Daddy auch?«, erkundigt sich Josie schlaftrunken.
»Nein, Süße, Daddy muss noch ein paar Tage in Paris arbeiten. Aber er kommt bald wieder zu dir nach Hause, okay? Schlaf jetzt, kleine Prinzessin, schlaf weiter.«
»Mein Gedicht, Mommy«, fordert Josie, als ich ihr über den Wuschelkopf fahre. Diese Locken. Über wie viele Generationen werden wir unsere Gene wohl noch mischen müssen, um sie endlich loszuwerden? Obwohl … bei Josie liebe ich sie, nur meine eigenen wäre ich gerne los.
»Na schön, aber dann schläfst du«, willige ich ein. Wir beginnen gemeinsam, das lässt sich Josie nie nehmen – egal wie müde sie ist.
»Ausgestreckt und zugedeckt, warm und weich, so schläfst du gleich.
Bis ein neuer Tag erwacht und die Sonne wieder lacht.
Ein Strahl von ihr dein Näschen neckt und dich damit zärtlich weckt.
Dann beginnt ein neuer Tag.
Was er uns wohl bringen mag?«
Es ist das Gedicht meiner Mutter. Sie sprach es mit uns Kindern an jedem Abend, an jedem Bett. Viermal pro Tag, 1.460 Mal im Jahr und ungefähr 15.000 Mal insgesamt, bis wir uns selbst zu alt dafür fanden. Irgendwann habe ich es einmal nachgerechnet. Ein süßes Ritual, das bis heute ein Stück Heimat und Kindheit für mich darstellt und das ich für alle Zeiten in meinem Herzen tragen werde. Etwas, das ich an meine Tochter weitergeben möchte. Die letzten Sätze spreche ich allein; Josie ist wieder eingeschlafen. Ich beuge mich hinab und drücke ihr einen behutsamen Kuss auf die schlafwarme Wange.
Unten in der Küche wartet Alberta. Ich schließe sie in
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