Neobooks - Das Schloss im ewigen Eis
gab kein Aber! Um gar nicht weiter nachdenken zu können, würgte er unter Blutgeblubber heraus: »Du kannst mich mal, du feiger Bastard!«
Sein Plan ging auf, denn Kinians Augen verengten sich zornig und ließen darauf schließen, dass er keinen Handel mehr anbieten würde. Genugtuung verschaffte ihm das allerdings nicht. Sein Magen ballte sich bei den nächsten Worten des Ketzerjägers zu einem Eisklumpen zusammen. »Tatsächlich? Ich fürchte, das wirst du schnell bedauern. Weißt du, Limam hat sich bis jetzt zurückgehalten!« Schroff wandte er sich an seine Männer: »Haltet ihm besser den Mund zu! Wir wollen ja nicht unnötig auf uns aufmerksam machen.«
Schnell erfuhr Rhonan, dass Kinian nicht geprahlt hatte. Die krummen Finger krallten sich wie feurige Dolche in Schultern und Arme. Der fürchterliche Schmerz war aber nichts im Vergleich zu dem Entsetzen, das ihn bald darauf packte. Ganz deutlich spürte er, wie die Hand der Hexe sich um sein Herz schloss. Er sah ihre Hand immer wieder in seinem Leib verschwinden und kam sich schnell wie zerfetzt vor, sein Innerstes nach außen gekehrt. Dass er keine Wunden sehen konnte, machte alles noch unerträglicher, weil es dadurch unheilbar wirkte. Die Söldner konnten ihn irgendwann kaum noch halten, und als sie endlich alle von ihm abließen, fiel er wie ein nasser Sack um: sein Geist verängstigt, sein Körper ein einziger glühender Schmerz.
Zwei Söldner zerrten ihn schon wieder hoch, und ein dritter flößte ihm aus einem Beutel Wasser ein, während die Hexe ihre Erkenntnisse an Kinian weitergab.
»Du glaubst, du weißt ungefähr, wo die Mine ist? Das müsste reichen.« Die Stimme klang äußerst zufrieden.
Angst um seine Begleiter und Zorn loderten neben Schmerz in Rhonan auf. Das Gerede wurde dumpf, die Bilder vor seinen Augen verschwammen. Das Einzige, was er noch sah, war der Schwertgriff an der Seite des Mannes, der den Lederbeutel hielt. Dieser Griff zog ihn magisch an, füllte sein Blickfeld und sein Denken aus. Alles andere verlor sich im roten Nebel ... und die Welt um ihn herum zerbarst.
Zeitgleich im Grenzgebiet zwischen Kambala und El’Maran
Heiß brannte die Sonne auf Ten’Shur. Staub wirbelte über den menschenleeren Marktplatz. Dort, wo normalerweise Händler laut schreiend ihre Waren feilboten, standen Kühe, Schafe und Ziegen dicht an dicht und blökten und meckerten ähnlich laut wie an Markttagen die Händler. Es stank bestialisch, und die Kinder, die Futter und Wasser brachten, hatten es sichtlich eilig, ihre Arbeit zu beenden.
In den Straßen und Gassen wimmelte es nur so, denn zurzeit lebten fast zehntausend Menschen in der östlichsten Stadt El’Marans. Bauern, Fischer, Schäfer und Jäger aus den umliegenden Dörfern und Höfen hatten sich auf der Flucht vor Camoras Horden in den Schutz der Stadtmauern begeben. Gasthäuser waren hoffnungslos überfüllt, kein Haus war mehr in der Stadt zu finden, das noch ein freies Zimmer hatte, kaum ein Bett, das nicht doppelt belegt war. Die Lagerhäuser quollen über. Zelte waren notdürftig errichtet worden, um Mehlsäcke und andere Waren vor der Witterung zu schützen.
Rund um den Marktplatz waren die Händler und Handwerker angesiedelt. Seit Tagen hallten unaufhörlich Klopfen und Hämmern durch die engen Gassen. In den Schmieden wurden die Öfen nicht mehr kalt. Zimmerleute schnitzten nur noch Pfeile und Speerschäfte. Frauen trugen Leinen zusammen und wuschen es aus, um damit später Wunden verbinden zu können. Wassertröge und Krüge stapelten sich an den Brunnen, um greifbar zu sein, wenn es vielleicht galt, Brände zu löschen. Kinder sammelten und schleppten unablässig mindestens faustgroße Steine zur Stadtmauer.
Männer, Frauen und Kinder waren geschäftig wie nie. Die Alten, die nicht mehr arbeiten konnten, hüteten Säuglinge und Kleinkinder oder zündeten Opferstäbe in den Gebetshäusern an, um die Götter um Beistand zu bitten.
So emsig, wie sie waren, hatten sie dennoch Zeit gefunden, den ankommenden Flammenreitern zuzujubeln. Königin Morwenas Reitertruppe war ein begeisterter und herzlicher Empfang zuteilgeworden. Es gab in Ten’Shur wohl kaum einen jungen Mann, der sich nicht sehnlichst wünschte, einmal zu diesen ruhmreichen Reitern zu gehören, und es gab in der ganzen Stadt wohl kaum ein weibliches Wesen, das sich nicht ebenso sehnlichst wünschte, ein Lächeln des Kommandanten zu erhaschen. Während die Männer sich über Waffen und Pferde der Truppe
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