Neobooks - Die Zitadelle der Träume
aber das war nebensächlich. Mar’Elch war gefallen, und das war furchtbar. Tagelang hatten sie bis zum Umfallen gekämpft, und es hatte trotzdem nicht gereicht.
Der Hordenführer lachte geringschätzig auf. »Hast du Angst, du könntest schon zum Verräter werden, wenn du uns nur deinen Namen sagst, oder hast du Angst vor dem, was wir mit dem Sohn der Königin vorhaben könnten?«
Canon warf ihm nur einen gelangweilten Blick zu, und er fuhr fort: »Wir sind uns deiner ja eigentlich sicher, aber es verwundert mich doch, dass du hier offensichtlich nicht von großem Wert bist.«
Jetzt hatte er zumindest die Genugtuung, seinen Gefangenen verwirrt zu sehen. »Ja, da staunst du, was? Deine Männer haben unser Angebot, dich zu verschonen, abgelehnt.«
In seinem Gefangenen überschlugen sich die Gedanken. Seine Krieger konnten noch etwas ablehnen? »Es wird noch gekämpft?«, entfuhr es ihm.
Sein Gesprächspartner deutete das Erstaunen des Prinzen völlig falsch und lachte erneut auf, diesmal ziemlich spöttisch. »In der Tat! Du bist ihnen offensichtlich nicht wichtig genug. Hättest du das erwartet?«
Canon hätte am liebsten gejubelt. Das konnte nur bedeuten, dass die Verstärkungstruppen endlich eingetroffen waren. Ihr verlustreicher Kampf war also doch nicht vergebens gewesen. Es war noch nichts verloren.
Einige Reiter kamen heran, und einer von ihnen erklärte: »Es ist alles fertig, Kommandant – in ausreichender Entfernung, aber noch gut sichtbar von der Burgmauer.«
Sein Vorgesetzter nickte. »Na, endlich! Stellt die Kampfhandlungen sofort ein! Zieht euch außer Reichweite der Bogenschützen zurück! Wir wollen ihnen ja schließlich die nötige Muße zum Überlegen geben.«
Er wandte sich wieder seinem Gefangenen zu und trat ganz dicht an ihn heran. »Ich muss mich wohl bei dir dafür entschuldigen, dass du nun wie ein gemeiner Verräter behandelt wirst, aber der anhaltende Regen macht einen Scheiterhaufen leider unmöglich. Wir werden dich daher zunächst hängen. Während du ein wenig zappelst, können deine Untergebenen überlegen, ob sie deinem Leiden vielleicht doch ein Ende machen wollen. Dann werden wir dich auf ein Leitergerüst binden und dir die Gedärme herausschneiden. Wir werden auch hier mit kleinen Schnitten beginnen, um deinen Landsleuten eine letzte Gelegenheit zu geben, dich zu retten. Etwas anderes können wir dir in Anbetracht der Umstände leider nicht anbieten. Glaubst du, du kannst damit leben … Leben, das ist gut!« Er lachte dröhnend über seinen eigenen Scherz.
Auch die Reiter, die Canon hielten, lachten und schüttelten ihren Gefangenen dabei heftig.
»Das ist mir schon recht«, erwiderte der und konnte im Augenblick nichts anderes empfinden als maßlose Erleichterung. Solange Mar’Elch kämpfte, gab es immer noch Hoffnung auf den Sieg. Er hätte den Hordenführer natürlich darüber aufklären können, dass seine Krieger nie aufgeben würden, nur um ihren Heerführer zu retten. Bei den zum Kriegsdienst gezwungenen Horden war es üblich, dass sie sich umgehend ergaben, wenn ihre Anführer tot oder in Gefangenschaft geraten waren. Ohne ausdrücklichen Befehl waren sie nicht bereit, ihr Leben weiter aufs Spiel zu setzen, nur damit der Schwarze Fürst seinen Traum von der Herrschaft über alle Reiche verwirklichen konnte. Aber die Bürger Mar’Elchs kämpften nicht für fremde Herren, sondern für sich und ihre Familien.
Zu seiner anfänglichen Erleichterung gesellten sich aber sehr schnell auch ganz andere, sehr viel unangenehmere Gefühle. Regenumhang und Lederrüstung wurden ihm abgenommen. In Handfesseln wurde er zu einer Gruppe Reiter gebracht. Weil er ohnehin schon stark hinkte, verzichtete man großzügig auf Fußketten.
Sämtliche Hordenführer waren hoch zu Ross versammelt. Der Heerführer ließ es sich selbstverständlich nicht nehmen, den Sohn und Statthalter Morwenas höchstpersönlich am Seil hinter sich herzuziehen.
Langsam setzte man sich vom Lager außerhalb der Stadtmauern in Bewegung. Die gewaltige Schar der Krieger, die hier noch versammelt waren, ließ Canon unwillkürlich schlucken. Offensichtlich war die Verstärkung aus Ten’Shur eingetroffen.
Fast gewaltsam löste er den Blick von der unendlichen Reihe von Zelten und Männern und schritt durch die Maueröffnung, die einmal ihr Tor beherbergt hatte. Auch die Häuser, die nahe der Stadtmauer standen, waren durch die Katapulte schwer beschädigt worden. Seltsamerweise kamen
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