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Neobooks - Die Zitadelle der Träume

Neobooks - Die Zitadelle der Träume

Titel: Neobooks - Die Zitadelle der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liane Sons
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unwillkürlich noch einmal den Galgen und das Leitergerüst vor sich, griff sich an den Hals, wo der Abdruck des Seils noch deutlich zu sehen war, und sprach dann weiter: »Er kannte die Gewohnheiten der Horde ja aus vielen Schlachten und hatte es gut vorbereitet. Die Hordenkrieger hatten ihre Kampfhandlungen eingestellt, damit die Kämpfer El’Marans auch die Muße hatten, ihre ablehnende Haltung zu überdenken. Ich hatte schon die Schlinge um den Hals, und alle Kommandanten waren versammelt, um der erhofften Unterwerfung Mar’Elchs beizuwohnen, da schossen die Kraker ihre Pfeile von der Mauer und auch aus einigen Häusern. Einer von ihnen war so freundlich, auch das Seil durchzuschießen.«
    Er lachte kurz auf, aber das Lachen klang heiser, und in seinen Augen spiegelten sich nach wie vor nur Grauen und Trauer. »Das war vielleicht ein Durcheinander. Kaum hatten sich die Hordenkrieger von ihrem ersten Schrecken erholt, als auch schon die Reiter kamen. Remo schnitt mir die Fesseln durch und drückte mir ein Schwert in die Hand. Und in der Straße zur Burg fand dann die Entscheidungsschlacht statt. Es wird mir vielleicht später noch einiges dazu einfallen, aber zurzeit sehe ich nur Bruchstücke. Ich sehe die Truppenführer der Horde fallen, und ich sehe Lucio sterben, ich sehe eine Axt auf mich zukommen und den General, der sich dazwischenwirft.«
    Erneut machte er eine kurze Pause, bevor er fortfuhr: »Ohne ihn gäbe es Mar’Elch nicht mehr und mich auch nicht mehr. Dann ging alles sehr schnell. Nachdem ihre Führer gefallen waren, zogen die Horden umgehend ab, obwohl sie immer noch in der Überzahl waren, und die Bürger konnten nicht mehr jubeln, obwohl sie gewonnen hatten. Die meisten legten sich einfach hin und schliefen ein. Ich konnte es kaum glauben, aber viele hatten dabei ihre Köpfe auf Tote gebettet. Diesen Anblick werde ich mein Lebtag nicht vergessen.«
    Erneut musste er durchatmen, bevor er seinen Bericht vollenden konnte. »Ich wollte dann General Darkoba danken, aber er lächelte nur und sagte: Es war mir ein Vergnügen! Der Einfall mit der Verwirrung durch die Kraker stammt ursprünglich von Eurem Bruder, einem wahrhaft großen Heerführer. Sagt ihm Dank dafür, dass er es mir trotz meiner Schande ermöglicht hat, ehrenvoll zu sterben. Dann starb er. Ich habe schon viele Kämpfe erlebt, aber die Götter mögen geben, dass ich nie wieder auf diese Art und Weise eine Schlacht führen muss. Ich habe friedliche Händler und furchtsame Diener zu blutrünstigen Bestien gemacht, habe ihre Verzweiflung und Todesangst gesehen und irgendwann nur noch ihren ungezügelten Willen zu töten. Oh, Mutter … es war … es war …«
    Er kämpfte mit den Tränen, und sie zog ihn in ihre Arme, strich ihm übers Haar und wiegte ihn sanft. »Weine, Kind! Weine, sonst fallen die Tränen auf die Seele.«
    Sie wusste, dass er noch viel zu jung war, um einige Befehle, die er als guter Heerführer gegeben hatte, auch verkraften zu können, und sie wusste aus eigener leidvoller Erfahrung, dass es Wunden gab, die nur die Zeit heilen konnte. Nach einem Kampf mit solchen Verlusten war selbst der Sieg ein fader Trost.
    Es gab nichts zu sagen, also hielt sie ihn nur fest. Es bedurfte auch keiner Worte zwischen ihnen. Sie kannten sich gut, hatten das Zusammensein oft genutzt, um einander nur zu halten.
    Noch weinte und bebte ihr Sohn in ihren Armen, aber Morwena wusste jetzt schon, wie es weitergehen würde. Canon würde schon sehr bald die Schultern straffen, sie küssen und dankbar anlächeln und dann nach draußen gehen, um wieder seine Befehle zu erteilen. Und sie würde zurücklächeln und ihn gehen lassen, obwohl er hinkte und ins Bett gehörte. Sie war seine Mutter, aber leider auch Königin, und er war ihr Sohn, aber leider auch Feldherr.
    Und sie beide wussten, dass es noch längst nicht zu Ende war. Beschädigt, wie Mar’Elch war, würde der Schwarze Fürst so schnell wie möglich erneut angreifen, und wenn kein Wunder geschah, würde die Reichsstadt in naher Zukunft fallen. Morwena seufzte auf und dankte den Göttern dafür, dass zumindest Derea jetzt nicht hier war. Sie hätte auch Canon gern irgendwo anders hingeschickt, aber sie wusste, dass er niemals gehen würde, genauso, wie Derea sofort kommen würde, wenn er wüsste, wie es um Mar’Elch stand. Sie hatte ihre Söhne wirklich gut erzogen, und sie hasste sich dafür, weil sie sie so liebte.

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    12. Kapitel
    Gegen Mittag hatten sie eine Holzhütte aus

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