Neobooks - Dreck muss weg!
blieb er auf der Schwelle stehen. Fehlte nur noch, dass sein Mund offen stand. In Anna Lekowskis Büro sah es so klinisch rein aus wie in ihrem Sektionssaal.
»Wir kommunizieren nur noch digital«, sagte sie, »setzen Sie sich doch bitte.«
»Keine Akten mehr?« Kalle war froh, das Plastikkissen unterm Hintern zu spüren.
»Keine Akten mehr. Alles eingescannt und digitalisiert. Ich weiß, das papierlose Büro steht den Behörden noch bevor. Bei euch im Amt für innere Verwaltung soll das doch auch schon umgesetzt sein.«
»Wer sagt das?«
Anna Lekowski lachte. »Okay, alles klar.« Sie schien sich köstlich über ihn zu amüsieren, verschüttete Kaffee auf ihren Kittel und wischte daran herum, was den Fleck nur vergrößerte. »Sicher haben Sie schon gehört, dass die Starriege komplett ausgefallen ist. Unser Direktor sitzt mitsamt seines Kronjuwelenstabs in San Francisco fest. Erst streikten die Fluglotsen, und dann bebte die Erde vor Zorn. Ich denke, sie hat Grund dazu, finden Sie nicht?«
»Doch, find ich auch. Wann erwarten Sie die Lordschaften zurück?«
»Das weiß allein der liebe Gott. Tut mir leid. Im Zeitalter von Minipersonalbudgets sind Erdbeben und Streiks nicht vorgesehen, und die digitalisierte Arbeitswelt hilft da auch keinen Deut weiter. Spezielle Fachkenntnisse und vor allem jahrelange Berufserfahrung bleiben nämlich in den Köpfen der grauen Eminenzen. Und das lassen die sich nicht mal eben nehmen und auf CD brennen. Man nennt das auch Herrschaftswissen, Sie verstehen?«
Kalle, der sich wieder gefangen hatte, nickte. »Warum soll es Ihnen bessergehen als mir?«
»Weil ich eine Lady bin und Sie zum Geschlecht der edlen Ritter gehören?« Anna Lekowski grinste, die Mundwinkel bis zu den Ohrläppchen hochgezogen. »Wie dem auch sei, ich kann nicht hexen.« Sie schielte auf ihre Nase und verzog den Mund. Es gelang ihr trotzdem nicht, wie eine Irre auszusehen. Spontan sehnte Kalle sich nach einem Virusinfekt. Nur zu gerne würde er sich von der Lütschen Fieber messen lassen.
»Ist Ihnen nicht gut?« Sie hatte den ultimativen Röntgenblick.
Er musste sich etwas einfallen lassen, damit ihm nicht dauernd die Gesichtszüge entglitten. »Jetzt aber mal bitte schön Klartext, wann kann ich mit Ihrem Bericht rechnen?«
»Der Bericht ist fertig, wenn er fertig ist.« Anna nahm einen Schluck Kaffee und lehnte sich im Stuhl zurück.
»Noch in diesem Leben?«
»Darauf können Sie Gift nehmen«, sagte Anna Lekowski und prostete Kalle mit dem Kaffeepott zu.
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Kapitel 18
Hamburg, Dammtor-Bahnhof
A m Dammtor-Bahnhof stieg Kalle aus dem Bus und machte einen Abstecher in die gläserne Vollkornbäckerei von Thomas Effenberger. Der war Kult. Vor fünfundzwanzig Jahren hatte er schon auf Bio gesetzt, als das noch keiner schreiben konnte. Kalle imponierten Pioniergeister. Im Geschäft duftete es nach frischem, noch ofenwarmen Brot. Ihm lief das Wasser im Mund zusammen. Ein Leben ohne Kohlenhydrate war so deprimierend wie ein Leben ohne Liebe. Gesa. Und prompt musste Kalle auch an seine Mutter denken, die der Ansicht war, Kalle neige dazu, seine Gefühle auf Groschenroman-Niveau auszuleben. Emma sollte sich einen
Liebe-nein-danke-
Button auf die Brust pappen. Das Dinkel-Sesam unter den Arm geklemmt, verließ er den Laden bester Laune wie ein Kind, das seinen Schatz vor dem bösen Krümelmonster behütete. Seine Stimmungen fuhren mit ihm Achterbahn, manchmal war das cool, meistens angsteinflößend. Vielleicht war er ja manisch-depressiv? So wie es Bodo nachgesagt wurde. Kalle beschloss, sich schlauzumachen. In der neuen Apothekenrundschau gab es dazu einen Artikel. Rentner-Bravo, hatte Eliza gelästert. Freche Göre. Kalles Gute-Laune-Barometer stieg weiter an. Außerdem sollte er dringend recherchieren, ob Männer unter Wechseljahresbeschwerden litten, dem letzten unerforschten Geheimnis der Menschheit. Das behauptete jedenfalls Emma. Die Wissenschaft sei immer noch patriarchalisch geprägt, und Männer beschäftigten sich am liebsten mit dem weiblichen Körper, dichteten Frauen alle möglichen Krankheiten und Psychosen an, um sie dann heldenhaft davon heilen zu können. Alles klar, Mam. Weiber! Dann traf Kalle wieder der Schlag oder besser gesagt, der Gedanke an Jette Winter fuhr ihm mit Karacho in die Magengrube. Lächerlich, aber er spürte einen deutlichen Widerwillen, ins Büro zurückzukehren. Bums, der Höhenflug war beendet.
*
Hamburg-Winterhude, Polizeipräsidium
Im Präsidium war Hektik
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