Neobooks - Dreck muss weg!
sich wie zufällig angeordnete Farbtupfer um eine Liegewiese. Das Wasser eines Springbrunnens plätscherte über die makellosen Körper von drei nackten Granitjungfrauen. In einem Altersheim eine fast obszöne Darstellung. Aus einer großzügig bemessenen Voliere war lautes Vogelgezwitscher zu hören. Den Krawall verursachte ein Geschwader Nymphensittiche, deren Bäckchen leuchteten, als hätten sie zu viel Rouge aufgelegt. Trotz der Kälte war da draußen offensichtlich immer Sommer. Im hinteren Bereich stand ein Gewächshaus. Einige der seitlichen Fensterklappen waren geöffnet. Kalle kniff die Augen zusammen. Jetzt sah er an der Stelle ein Ufo stehen. Die Alten in den Weltraum entsorgen, das würde die Rentenkasse nachhaltig entlasten, und Kalle müsste nicht mit 70 noch Verbrechern hinterherhecheln mit seinem Solar-Rollator. Joris unterbrach Kalles gedankliche Sightseeingtour. »Da, das ist Frau Brandt. Kann ich jetzt gehen?« Der Hosenscheißer schien wie Eliza in der Pubertät zu stecken. Manche wurden nie erwachsen. Seine schnoddrige Art brachte Kalles Puls erneut in Fahrt. Kalle verkniff sich eine Antwort und nickte stumm. Frau Brandt stand auf der Seite der bodentiefen Fenster vor einem gigantischen Flachbildschirm und schwang ihren Arm durch die Lüfte. In der Hand hielt sie eine Fernbedienung. Auf dem Bildschirm fielen alle Keulen auf einmal um, und in leuchtender Schrift blinkte
STRIKE
.
»Entschuldigung, Frau Brandt, ich …«
Käthe Brandt drehte sich zu Kalle um. Ihr Gesicht war gerötet, unter den Achseln ihres Shirts mit der Aufschrift
Retterchen
hatten sich dunkle Flecken gebildet. »Haben Sie das gesehen? Geil, oder?«
»Ähm, ist das Bowling?«
»Ja. Früher bin ich immer rüber zum Astra Bowlingcenter. Aber Sie sehen ja selbst, alles plattgemacht. Jetzt stehen da zwei Türme, schief wie in Pisa, dabei sind die ganz neu gebaut. Protzige Architektur, oder nicht? Potenzpillen für den kleinen Mann. Darauf stand ja schon der Führer.« Käthe Brandt verzog den Mund. »Wollen Sie auch mal?« Ihre Miene heiterte sich auf. Sie reichte Kalle die Fernbedienung. Kalle schüttelte den Kopf.
»Na gut, dann nicht. Muss jetzt sowieso erst mal duschen«, sie rümpfte die Nase, »sonst laufen meine Geburtstagsgäste noch schreiend davon.«
»Alles Liebe und Gute für Ihr neues Lebensjahr, Frau Brandt. Mein Name ist Bärwolff. Ich bin Kriminaloberrat beim Landeskriminalamt Hamburg.« Kalle streckte ihr die Hand entgegen, und Frau Brandt ließ ihre in seine gleiten. Nur Haut und Knochen, aber ein fröhliches Gemüt. Sie strahlte. Ihre Altersflecken sahen aus wie die Sommersprossenwiese von Anna Lekowski.
»Bitte schön.« Kalle gab ihr die HVV -Abo-Karte.
»Ist das meine Karte?« Käthe Brandt drehte die Karte um und betrachtete die Unterschrift. »Das ist meine Karte!«
Kalle gähnte. Seit heute Morgen beim Portugiesen hatte er außer dem Keks kaum etwas gegessen oder getrunken. Er war total unterzuckert und fühlte sich leicht schwindelig. Grundlos fing er an zu lachen.
»Sind Sie wirklich ein echter Kommissar?«
Kalle presste die Lippen zusammen und zählte in Gedanken bis zwei. Dann hatte er sich wieder im Griff. »Bitte entschuldigen Sie.« Er zeigte Frau Brandt seinen Ausweis, doch die winkte ab.
»Schon gut. Ich fühle, Sie sind ein guter Mensch, Herr Kommissar.«
»Haben Sie eine Idee, wo Sie die Karte verloren haben könnten, Frau Brandt?«
»Ich habe die Karte nicht verloren, ich habe sie verliehen.«
Sofort war Kalle hellwach. »An wen?«
»An Lisbeth Hayenga, meine Nachbarin.«
»Kein Zweifel?«
»Na, hören Sie mal, junger Mann …«
Kalle drehte auf dem Absatz um und schoss den Flur hinunter. Ohne anzuklopfen, stand er im Büro von Sophia Prinz. Die hing am Telefon, schnatterte und kicherte ohne Punkt und Komma. »Moment«, sie legte den Hörer beiseite und sah Kalle groß an. »Gibt es ein Problem?«
»Allerdings! Wieso haben Sie mich angelogen?«
*
Hamburg-Winterhude, Polizeipräsidium
Am Ende des Flurs hingen die Dezernatchefs Nick Nolte, Bereich Sexualdelikte, und Thao Behrmann, Rauschgift, vor dem Kaffeeautomaten herum. Ehe Kalle in sein Büro verschwinden konnte, hatte Nick ihn bereits gesehen. »Hey, Kalle, hast du ein paar Minuten, es ist wegen der Workshops von der Clasen?«
Nein, er hatte keine Minute zu verschwenden. Dem Personalrat Kalle Bärwolff blieb jedoch nichts anderes übrig, als sich in die Höhle der Partylöwen zu begeben. »Wo brennt’s denn?«
»Um
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