Neobooks - Dreck muss weg!
Annette Lorei festgenommen und war sich dann ihrer Sache zu sicher gewesen. Hochmut kam bekanntlich vor dem Fall.
Joki tätschelte ihr unbeholfen die Schulter. »Nu wein doch nicht. Merk di dat fürs nächste Mal, auch zu deinem eigenen Schutz. Immer bei der Sache bleiben. Du kannst nie wissen, was in den Köppen anderer Leute vorgeht.« Er suchte nach einer hellglänzenden Narbe in seiner Handfläche und hielt sie Marga hin. »Die hab ich mir als junger Fend geholt. War schon alles geregelt, nur eine blöde Ruhestörung. Und als ich mich verabschieden will, da zieht einer von den Heinis ein Messer und sticht zu.«
Marga kannte die Story, trotzdem war sie ihm dankbar. Joki hatte recht und viel mehr Erfahrung. Da ließ sich nun mal keine Scheibe von abschneiden, aber seinen Rat würde sie sich in jedem Fall zu Herzen nehmen.
Die Tür ging auf. Harm steckte den Kopf ins Zimmer. Er blickte von Joki auf Marga und zurück. »Was ist los?«
»Nix. Ich bin ihr nur auf den Fuß getreten. Aus Versehen.« Joki deutete ihm an, nicht weiter nachzufragen.
Harm legte die Stirn in Falten. »Die Ergebnisse von ViCLAS sind da. Es gibt eine weitere Tote. Etwa gleiches Alter und ebenfalls der gefüllte Mundraum. Gefunden gestern in Hamburg.«
Marga hob den Kopf und sah Harm bizarr verschwommen durch ihre verheulten Augen. »Thedas Schwester.«
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Kapitel 20
Hamburg-St. Pauli, Seniorenresidenz
S ophia Prinz, die sich Kalle als Geschäftsführerin der Down-Town-Seniorenresidenz vorgestellt hatte, war eine kleine, drahtige Person, die nur so vor Energie zu sprühen schien, obwohl selbst nicht mehr die Jüngste. Noch dazu war ihr linker Arm in Gips. »Tennisarm. Ich soll mich schonen, wissen Sie. Aber hier bin ich ja bereits im Sanatorium.« Ihr Kichern klang, als würden kleine Knallerbsen in ihrer Kehle zerplatzen. Sie beugte sich nach vorn und drückte auf einen Schalter in der Wand. »Beam me up, Scotty.«
Wieder dieses Kichern. Für ihr Alter war sie so albern wie ein pubertierender Teenager. Regelrecht überdreht wirkte sie.
»Ich würde gerne mit Frau Brandt sprechen. Ist das möglich?«
»Aber selbstverständlich ist es das.«
»Sind Ihnen irgendwelche Unregelmäßigkeiten im Hause bekannt? Jemand vermisst zum Beispiel?«
»Nein. Das hab ich Ihnen doch alles am Telefon beantwortet.« Sophia Prinz schien sich auf ihren gebatikten Seidenschal getreten zu fühlen, der über der Lehne ihres ausladenden Chefsessels hing und bis auf den Boden reichte. »Könnte sein«, fuhr Sophia Prinz fort, »dass Frau Brandt gerade ihr Mittagsschläfchen macht … Heute Nachmittag feiern wir ihren 85 . Geburtstag. Sie freut sich, als wäre es ihr erster. So ist der Mensch, zum Schluss wird er wieder zum Kind.«
Es klopfte. Ein hübscher, milchgesichtiger Pfleger schob einen Tablettwagen herein, auf dem Kaffeegeschirr und ein Teller mit Keksen standen.
»Joris, der Herr würde gern mit unserem Brandy Babe sprechen.«
Brandy Babe? Sophia Prinz schien eine eigenwillige Definition von korrekten Umgangsformen zu haben. Joris nickte. Sein Blick scannte Kalle von oben nach unten und blieb dann auf Kalles Bauch hängen – süffisantes Lächeln. Kalle spürte, dass er einen dicken Hals bekam. Was erlaubte sich dieser Bubi. Jede Wette, in seiner schlabbrigen Hose versteckte er ein Butterflymesser. Joris drehte das Armband an seinem Handgelenk. Ach nee, die Uhr hieß Rolex. Sophia Prinz war Kalles Blick offenbar nicht entgangen.
»Reiche Eltern.«
Joris ließ die Uhr in der Hosentasche verschwinden, während sich Sophia Prinz einen Keks nahm.
»Dann führe den Herrn bitte zu Frau Brandt, ja? Ich muss nicht dabei sein, oder, Herr, äh … Bärwolff?«
Kalle erhob sich und schüttelte den Kopf. Sophia kicherte eine Oktave hysterischer, als Kalle sich ebenfalls einen Keks nahm und in den Mund schob. Joris fiel die Kinnlade runter. Offenbar missfielen ihm Kalles schlechte Manieren. Bengel, der.
*
Der
Gesellschaftssalon
– so stand es in goldenen Lettern über der Doppelflügeltür – war fast leer. Hier und da saßen ältere Damen in zierlichen violetten und gelben Ledersesseln beisammen und plauderten. Leise klirrten die goldenen Löffel in den Porzellantassen. Die verglaste Schiebetür zum überdachten Innenhof war weit geöffnet. Der Garten mit den kugelrund geschnittenen Buchsbäumen und den dichten Nadelhölzern war auch jetzt im Februar eine grüne Oase. Kübel mit bunten Blumen, deren Namen Kalle nicht kannte, reihten
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