Neobooks - Dreck muss weg!
Was will er?« Ihr Blick suchte den von Hotte, während ihr Freund dämlich grinste. Okay, das Mädel hatte Potenzial. Mit den Riesenglocken würde sie immer Auftrieb haben und niemals ertrinken können. Schon wieder saugten sich die Münder ineinander fest. Der nicht enden wollende Versöhnungskuss war außerordentlich innig, bis Kalle der Geduldsfaden riss. »Entschuldigen Sie die Störung, aber ich habe nicht ewig Zeit.« Und dann folgte ein Paragraphenreiten durch das Strafgesetzbuch – von Falschaussage bis Behinderung von laufenden Ermittlungen. Kalle schob Frust. Keine heiße Spur, nur heiße Luft … und ein knallroter Kopf. »Ich habe nichts gesehen, ich schwöre! Nur gehört, wie eine Frau um Hilfe gerufen hat.« Das Mädel sah zu Hotte hinüber, der mit der Schulter am Türrahmen lehnte, sich eine Zigarette drehte und aufmunternd nickte.
»Wann war das genau?« Kalle holte sein Notizbuch hervor und zückte den Stift.
Ihre Lider flatterten. »Ich glaube, es war an dem Sonntag, als die Omi verschwand.«
»Du glaubst es, aber sicher bist du nicht?«
»Ja. Ich mein, nein.«
»Und wo soll das gewesen sein?« Kalle trat einen Schritt auf sie zu.
Der Junge legte den Arm fester um die Schultern seiner Braut. Irgendwie hatte es etwas Rührendes.
»Ich war auf dem Weg zur U-Bahn St. Pauli, oben auf dem Fußweg, der auf der Böschung an der Helgoländer Allee entlangführt, zum Spielplatz bei den Tanzenden Türmen. Bin gleich losgerannt, als ich sie schreien hörte, ehrlich.« Sie senkte den Kopf, den das Blut wieder hochrot leuchten ließ, und flüsterte weiter hinter ihrem Haarvorhang.
»Bitte laut und deutlich!« Es war zum Aus-der Haut-Fahren.
»Beim Klettergerüst lag nur eine Einkaufstasche am Rand der Sandkiste.« Sie verstummte.
»Ja, und weiter?« So nah dran waren sie in diesem Fall noch nie gewesen. So nah dran. Komm schon.
»Sonst war niemand zu sehen, und ich dachte, jemand hat sich wohl einen Scherz erlaubt. Ich hab nachgesehen, was in der Einkaufstasche drin ist …«
»Und hast die Weinflaschen mitgenommen.«
Sie schaute durch Kalle hindurch. »Ja«, flüsterte sie und fing an, hysterisch zu heulen.
Markus Hottenberg bat Kalle daraufhin ins Büro, in dessen Ecke eine Zimmerlinde wucherte, die von einer in der Wand verankerten Handschelle daran gehindert wurde, umzustürzen und Kalle zu begraben. Hottenberg stehe vor seinen Jungs und nicht hinter ihnen. Er schirme sie und auch ihren Freundeskreis ab vor dem Bösen, und dazu gehörten auch Polizeibeamte, die mit vorgefasster Meinung angelatscht kämen, statt die Unschuldsvermutung zu respektieren. Sein Schützling Sören Buhrmester sei am besagten Sonntag zur fraglichen Zeit im UKE in der zahnmedizinischen Notaufnahme gewesen. Nur der Vollständigkeit halber erwähnt, damit jegliche Zweifel an Sörens Unschuld aus dem Weg geräumt seien. Und was seine Freundin betreffe, sie habe sich an die Wahrheit erinnert, davon könne Kalle zu hundertfünfzig Prozent ausgehen. Hottenberg öffnete seine Schreibtischschublade und wühlte in dem Papierstoß, bis er die Visitenkarten zu fassen bekam. »Da lobe ich mir doch die Damen, die uns neulich aufgesucht haben: Margarethe Terbeek und Jette Winter. Sympathieträgerinnen. Mit solchen ist die Polizei ja nun nicht gerade üppig gesegnet.«
Super. Das kam an wie der Kackhaufen auf einem Scheißtag. Kalle war bedient. Dass das Mädel – immerhin eine Fastaugenzeugin – seine Schlussfolgerungen zum Ort des Verschwindens von Lisbeth Hayenga quasi bestätigt hatte, ging zwar runter wie Öl, änderte aber nichts an der Unverschämtheit, die Markus Hottenberg ihm vor den Latz geknallt hatte.
*
Hamburg-St. Pauli, Erichstraße
Auf der Davidstraße hatten sich die Bordsteinschwalben bereits aufgereiht und warteten auf Kundschaft zur Happy Hour. »Hey, Süßer, willste poppen?«
Kalle sah zu, dass er die Kurve bekam, und bog ab in die Erichstraße – für das sonst so quirlige St. Pauli eine kleine, ruhige Nebenstraße. Vorbei an Kiosk, Getränkemarkt und Kneipe, wurde er von einer seltsamen inneren Unruhe angetrieben. Bloß nicht erwischen lassen. Gesas Haus hatte einen kleinen Vorgarten. Am Jägerzaun hing ein rundes, rot umrahmtes Verbotsschild mit einem Hund, der einen Haufen machte. Die Sprossenfensterrahmen waren grün, ebenso wie die Haustür. Die Wände waren weiß verputzt. Aus dem Schornstein stieg weißer Rauch auf. War ein neuer Papst gewählt? Die Küche war hell erleuchtet. Zu
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