Neobooks - Dreck muss weg!
schön, wenn er erwartet würde. Kalles Magen nörgelte. Er sah sich um, zog die Kapuze seines Sweatshirts über den Kopf und schlug den Kragen seiner Lederjacke hoch. Keine Menschenseele. Nur mal ganz kurz gucken. Er stellte sich auf die untere Strebe des Zauns und lugte durchs Fenster. Auch die Küchentür war grün gestrichen. Daneben hing ein Gemälde, für das die Sonnenblumen von van Gogh als Vorlage gedient hatten. Nicht schlecht, Frau Specht. Ein großformatiger Fotokalender … oh shit! Die Küchentür öffnete sich, und Kalle sprang zurück auf den Weg, eilte über die Straße und verschwand im
Hot Chili Pepper.
Wie ein Dieb auf Ausspähtour kam er sich vor. Der Fensterplatz war frei. In der Küche waren jetzt die Gardinen zugezogen. War er etwa ertappt worden? So ein blöder Mist. Selbst schuld. Eine Dumm-wie-Stroh-Aktion. Die Kellnerin vom Typ Studentin der Sozialpädagogik hatte gelbliche Zähne. Oder lag es am Funzellicht? Und einen Vorbau, auf dem sie locker die Getränke abstellen könnte. Was er in der Kneipe eigentlich vorhatte, wusste er selbst nicht so genau. Erst mal was essen. »Eine große Portion Bratkartoffeln und ein Weizen, bitte.« Emmas kalte Küche konnte ihn nicht nach Hause locken. Wenigstens war die Krabbe gut bei Jay angekommen. Der Zugbegleiter hatte sich nicht an Eliza vergangen. Komm, reiß dich zusammen! Das war bitter nötig, denn Gesa erschien in Kalles Augenwinkel, überquerte die Straße, war in wenigen Schritten vor ihrer Haustür angekommen und drückte auf den Klingelknopf. Wie hypnotisiert stierte Kalle aus dem Fenster. Eine wohlproportionierte Schöne im weißen Frottee-Bademantel und Handtuchturban öffnete – wow! Die beiden küssten sich innig, so wie vorhin Hottes Gruselteenies. Kalle schloss die Augen. Das durfte bitte nicht wahr sein! Als Jay damals auf Kalle geschossen hatte, hatte er am eigenen Leib gespürt, wie es sich anfühlte, wenn über einem die vertraute kleine Welt zusammenbrach und man ungebremst auf die Schnauze fiel. Diesmal saß Kalle auf einem weichen Plüschsofa, und geschossen hatte auch niemand auf ihn. Warum tat es dann trotzdem genauso beschissen weh?
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Kapitel 40
Hamburg-Neustadt, Wincklerstraße
K alle, der im Schaukelstuhl neben Elizas Bett eingenickt war, wurde von stechenden Rückenschmerzen geweckt. Er richtete sich auf und massierte sein Kreuz. Die Krabbe lag zusammengerollt unter der Decke, nur die Schlappohren ihres Plüschhundes schauten hervor. Draußen dämmerte es. Kurz vor sieben. Abgesehen vom Liebeskummer hatte sich Kalle wieder geerdet. Es war irgendwas vor Mitternacht gewesen, als Sturmklingeln ihn vor der Glotze hatte hochschrecken lassen. Der Schlüssel drehte sich im Schloss, und Eliza fiel Kalle, der nicht sicher gewesen war, ob er nicht doch schlecht träumte, um den Hals.
»Papa!«
»Um Gottes willen, Eliza, ist dir was passiert?«
Eliza hatte sich an Kalle geschmiegt. Nur Kalles Plauze drängelte sich dazwischen. Die Krabbe sah müde aus, aber sie hatte weder geweint, noch war sie sonst irgendwie beschädigt. Kalle betrachtete seine Tochter eingehend, bis Eliza ihm in den Bauch zwickte. »Wo ist denn Oma? Gibt es noch was zu essen? Warum guckst du wie ein Auto?«
»Moment. Erst mal bin ich dran, Fragen zu stellen.« Während er Eliza eine Scheibe Brot mit Käse belegte und eine Tomate aufschnitt, beobachtete er seine Tochter. Langsam beruhigte sich sein Herzschlag. Eliza ging es gut, das war das Allerwichtigste. »Also?«
Sie stopfte sich das Brot hinein, als habe sie seit ihrer Abreise nach Berlin nichts mehr zu essen bekommen. Geduldig wartete Kalle, bis Eliza den letzten Krümel verputzt hatte. Und wieder drehte sich ein Schlüssel im Schloss. Emma, die neuerdings kam und ging, ohne ein Wort darüber zu verlieren, wann sie zurück sein würde oder ob überhaupt, war mit zwei Schritten in der Küche. »Um Gottes willen, Eliza, ist dir was passiert?«
Die Antwort auf genau diese Frage verzögerte sich weiter. Eliza lag auch Emma in den Armen, oder war es umgekehrt? Kalle übte sich weiter in Geduld. Und dann brach der Damm von selbst. »Mama war so komisch. Sie sagte, sie freue sich, mich zu sehen, aber in Wirklichkeit hat sie sich kein bisschen gefreut. Kaum geredet hat sie, und wenn, dann sagte sie, sie habe Angst und ich solle ruhig sein. Wir dürften nicht miteinander sprechen, weil es Menschen gebe, die uns vernichten wollten. Als wir bei Mama zu Hause waren, ist sie umgefallen. Ich habe ihr
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