Neobooks - Entbehrlich: Thriller (German Edition)
bereitwillig auf die Frage ein. »Gott bewahre, nein.« Er machte eine wegwerfende Handbewegung. »So etwas kann man machen, solange man jung ist. Südlich der Grenze macht man nicht wirklich Karriere und im Staatsdienst auch nicht das Geld, das einen motiviert, Risiken auf sich zu nehmen. Ich war ja schon nicht mehr jung, als wir uns damals begegnet sind, Walter. Ich bin ausgestiegen, ich habe die Kurve gerade noch rechtzeitig gekriegt. Ich habe geheiratet und bin noch Vater geworden, zu spät fast … nein, nicht zu spät. Vorher hätte ich nicht daran gedacht.«
Whittaker wurde versonnen.
»Wissen Sie, Walter, ich habe mich tatsächlich neu kennengelernt, als ich auf einmal Vater war. Und ich finde, es ist nicht falsch, als Vater alt zu sein, ich meine, man schätzt und liebt neues Leben ganz anders, viel mehr, wenn das eigene schon größtenteils vorüber ist.«
Was redet er denn da, dachte Ross. Selbst Hauser schien peinlich berührt zu sein.
»Sind Sie verheiratet Walter? Haben Sie Kinder?«
»Ehm … eine Tochter.«
»Eine Tochter! Ich auch! Ist das nicht schön, sagen Sie mal selbst! Das ist auch etwas, was ich gelernt habe: Dass es viel schöner ist, eine kleine Tochter um sich zu haben, als eine Handvoll Söhne. Also, was ich sagen will, ich habe nie den Wunsch nach einem sogenannten Stammhalter gehabt, Sie wissen schon. Und Sie und Ihre Frau, wollen Sie einen Sohn?«
»Ich bin geschieden.«
»Oh, das tut mir leid.«
»Schon okay.«
»Wie? Ach so, ich auch. Ehrlich gesagt, ich war erleichtert, als ich meine Frau wieder los war. Man sollte Kinder ohne das Zutun von Frauen bekommen.«
So hatte Ross das noch nie gehört.
»Sie ist ein so liebes, intelligentes und hübsches Kind, meine Kleine. Sie lässt einen vergessen, wer ihre Mutter ist.«
Whittaker wurde unterbrochen. Das Essen kam auf einem Servierwagen unter silbernen Glocken. Ross aß lustlos. Whittaker und Hauser dagegen ließen sich Zeit beim Essen, und es störte sie anscheinend nicht, dass Ross lange vor ihnen fertig war und ihnen zusah. Hauser leerte seinen Teller methodisch und ohne Eile, als würde er Treibstoff bunkern. Ohne zu wissen, warum – Hauser hatte tadellose Tischmanieren –, sah Ross ihn plötzlich vor sich, fünfunddreißig oder vierzig Jahre jünger, im dämmerigen asiatischen Dschungel, bei strömendem Regen unter einen olivgrünen Armeeponcho gekauert, wie er mit der Messerklinge eine C-Ration löffelte. Whittaker provozierte solche Assoziationen nicht. Er aß langsam und machte immer wieder kurze Pausen, in denen er sich zurücklehnte und kauend in die Luft sah, trank oder seine Serviette benutzte. Er hatte perfekt gepflegte Hände, wie eine Frau, bemerkte Ross. Aber sie passten zum Rest seiner Erscheinung, seiner schlanken Größe, seinem lässigen, aristokratischen Benehmen und dem dichten dunkelblonden Haar, das genau an den richtigen Stellen silbern geworden war. Das Oxford-Hemd, das er trug, und das Tweed-Sakko, das über seiner Stuhllehne hing, wirkten dagegen seltsam nüchtern, beinahe unpassend für ihn. Ross sah ihn in einem Kaschmir-Blazer vor sich, ein Tuch im offenen Hemdkragen. Er musterte Hauser. Auch dieser war schlicht gekleidet, aber was er trug, passte zu ihm. Auch seine Hände waren professionell gepflegt, aber man sah ihnen an, dass sie einmal Werkzeuge gewesen waren, vielleicht sogar Waffen, denn seine Knöchel waren verformt, wie von lang vergangenen Faustkämpfen . Hauser war ebenso groß wie Whittaker, aber kräftiger gebaut, fast athletisch, trotz seines Alters. Er war beinahe kahl, und das farblose Haar, das ihm geblieben war, war millimeterkurz geschoren und lag wie Raureif auf seinem kantigen, braungebrannten Schädel. Man hätte ihn für einen wohlhabenden Rancher halten können, aber seine Sonnenbräune hatte er sich wohl auf dem Golfplatz geholt. Whittaker hatte ihre militärischen Dienstgrade erwähnt. Das passt, entschied Ross. Sie waren Offiziere, hohe Offiziere, und er spürte, dass er wieder unruhig wurde. Waren sie noch aktiv? Sicher nicht. Sie waren wenigstens fünfzehn, vielleicht sogar zwanzig Jahre älter als er und bestimmt längst pensioniert.
Während des Essens war kein Wort gefallen. Auch als abgetragen war, saßen die drei Männer noch minutenlang scheinbar entspannt und wortlos da, ehe Whittaker das Schweigen brach. »Noch einen Drink, oder vielleicht Kaffee?«
Ross wollte keinen Drink, aber, ja, Kaffee wäre gut.
»Und, Walter, was machen Sie heute so,
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