Neobooks - Hinter verborgenen Pfaden: Der geheime Schlüssel I (German Edition)
erst morgen. Wir sollten schlafen. Die Tage sind lang, die Nächte kurz.« Agnus nickte.
Obwohl sein Körper müde war, fand sein Geist keine Ruhe. Während er dalag und grübelte, reifte in ihm der Entschluss, sich dem König gänzlich zu widersetzen.
Der bereits verworfene Gedanke, einen Meuchelmörder zu der Behausung des Zauberers zu senden, nahm wieder Gestalt an. Doch ehe er das wagen konnte, musste er dessen Macht schwächen, indem er die Gnome, einen nach dem anderen, tötete. Der Kampf, den er plante, erforderte Mut und Hinterlist. In den finsteren Stunden der Nacht würden sie diese Kreaturen vernichten.
Früh am nächsten Morgen stand Agnus vor seinem Haus und schaute in die Ferne. Er hatte nur wenige Stunden geschlafen, aber er fühlte sich kämpferisch und voller Tatendrang. Die Sonne ließ die schroffen Felsen der westlichen Berge rot und golden aufleuchten, während zu seinen Füßen die Niederungen des Moores noch unter einer Decke aus Dunst lagen.
Auf den Rietdächern der Ställe schimmerte grün und braun das Moos, und in den Bretterhütten erwachten die ersten Menschen.
Zweifel beschlichen Agnus, wenn er an seinen Plan von letzter Nacht dachte. Diese Menschen vertrauten ihm. Wenn er sich aber dem Willen des Königs widersetzte, brachte er sie dann nicht noch zusätzlich in Gefahr?
Er ging hinunter zum Tor, um über die Ereignisse der vergangenen Nacht Auskunft zu erhalten.
Daris saß immer noch im Turm. Als er Agnus sah, stampfte er die Stufen hinunter.
»Guten Morgen, Herr Baron. Ihr seid früh auf den Beinen.«
»Guten Morgen, Daris. Wie war die Nacht?«
»Ruhig. Zumindest hier. Die ersten Boten werden bald kommen und berichten.«
»Schick sie zu mir hoch und sag auch den anderen Männern Bescheid, dass ich heute Vormittag jeden empfange, der etwas zu sagen hat. Noch bevor es dunkel wird, soll hier ein anderer Wind wehen.« Daris verbeugte sich, und Agnus schritt den Weg wieder hinauf.
In den Bretterbuden erwachten die Menschen. Die Männer, die Wache gehalten hatten, suchten sich ein Kochfeuer. Kinder weinten, Mütter schimpften, es ging zu wie in einem übergroßen Nomadenlager. Verschlafene Gestalten kämpften sich unter Bergen von Decken hervor. Viele, die keinen Platz in den Hütten gefunden hatten, liefen den Berg hoch und stellten sich in die aufgehende Sonne, um ihre klammen Glieder zu erwärmen. Obwohl Hochsommer war, konnte es nachts durch die Nähe der Berge und den Nebel ziemlich frisch sein.
Den ganzen Vormittag über kamen Boten zu Agnus. Jeder berichtete von den Überfällen und heimlichen Diebesgängen der Gnome. Die Menschen erzählten, dass sie Gnome am hellen Tag im Schatten der Wälder gesehen hatten. Noch waren die Gnome nicht dreist genug, die gut bewachten Viehsammelstellen anzugreifen, aber vereinzelte Ställe, bei denen nicht mehr als zwei bis drei Männer Wache hielten, waren vor ihren Überfällen nicht sicher. Wie es in den südlichen Bezirken zuging, war schwer zu sagen, denn von dort drang nur alle paar Tage eine Botschaft bis zum Erses Berg. Der Weg war weit. Agnus brummte der Kopf. In wenigen Wochen musste die Ernte von den Feldern eingeholt werden. Selbst ohne zusätzliche Belastungen war dies die anstrengendste Zeit im Jahr. Bis es so weit war, musste die Bedrohung für die Bevölkerung geringer sein, so dass die Bauern wieder ihrer Arbeit nachgehen konnten. Wenn die Ernte liegen blieb, bedeutete das einen harten, entbehrungsreichen Winter.
Als Agnus sich zum Mittagessen begab, war er sich sicher, dass er die Gefahr, in der sie schwebten, vor seiner Abreise sträflich unterschätzt hatte. Als ihm seinerzeit die ersten Berichte über Gnome zugetragen wurden, hatte er alte Bücher bemüht, die ihm die Gefahren, die von Zauberern und ihren Schergen ausgingen, beschrieben. Von zwanzig bis dreißig Gnomen war da pro Zauberer die Rede gewesen. Ihre Größe sollte einem etwa zehnjährigen Kind entsprechen, und angeblich verließen sie ihre Verstecke ausschließlich nach Sonnenuntergang. Dass diese Angaben nicht stimmen konnten, war ihm zwar frühzeitig klargeworden, aber das wahre Ausmaß der Bedrohung erkannte er erst jetzt. Heute schätzte er, dass sich etwa zweihundert Gnome allein im Wildmoortal aufhielten. Die Größe eines Kindes hatten sie längst übertroffen, und den Schutz der Nacht benötigten sie nicht zwingend für ihre Raubzüge. Immerhin gab es auch gute Nachrichten. Diese Biester waren nicht sonderlich schlau und durchschauten in ihrer
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