Neobooks - Hinter verborgenen Pfaden: Der geheime Schlüssel I (German Edition)
wieder Kleinvieh. Im Frühling verschwanden die Lämmer. Schafe und selbst Wachhunde wurden regelrecht niedergemetzelt. In den Schatten unter den Stelzenhäusern gibt es jetzt Nacht für Nacht seltsame Bewegungen und keiner traut sich nach Einbruch der Dunkelheit alleine und unbewaffnet aus dem Haus.« Agnus atmete tief durch. »Wir haben versucht, mit dem Mann im Turm zu reden. Er behauptet, Wissenschaftler zu sein und in diesem Turm seinen Erfindungen nachzugehen.
Da die Helmsholm Hügel ab dem Riedelberg nicht mehr zum Wildmoortal gehören, können wir nichts machen. Der König muss ihn wegschicken, denn das gesamte Hügelland ist ureigenster Besitz des Königs. Mal abgesehen davon, dass er seinen treuen Lehnsherren seinerseits zu Treue verpflichtet ist und ihnen in einer Notsituation beistehen muss.« Er beendete seine Ausführungen und schaute finster in sein Bier.
»Da hast du aber eine ganz schön schwierige Aufgabe«, sagte Walter und klopfte Agnus mitfühlend auf die Schulter. »Du musst dem König klarmachen, dass er einem Zauberer erlaubt hat, sich auf seinem Land niederzulassen. So einen Fehler wird er nicht gerne zugeben wollen. Abgesehen davon hast du keinen Beweis, dass es ein Zauberer ist. Ich mein, ich kenne viele Geschichten über Zauberer, ich weiß aber auch, dass es seit mehr als fünfhundert Jahren hier bei uns keine mehr geben darf.« Er schwieg bedeutungsvoll. »Damals sollen überall Zauberer an Eichen erhängt worden sein. Was mit ihren Gnomen passiert ist, weiß keiner. Tatsache ist: Sowohl Zauberer als auch Gnome hat seither hier niemand mehr gesehen.«
Hartmut nickte zustimmend. Agnus sah von dem einen zum anderen.
»Der König ist aus Mendeor, er hat bestimmt von Zauberern gehört. Dort soll es ja noch genügend geben«, sagte er entschieden. »Und was bleibt mir anderes übrig, als mit meiner Geschichte zum König zu gehen?«
»Denk dir eine andere aus«, schlug Hartmut halbherzig vor. Agnus spürte, wie die Wut in ihm hochkochte. Er hatte keine andere Geschichte zu erzählen, er wusste, was er gesehen hatte und wie es in seiner Heimat zuging. Er kannte die Verzweiflung seiner Leute, und er durfte auf keinen Fall unverrichteter Dinge wieder nach Hause reiten. Seine Bauern arbeiteten hart, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. In der Gegend gab es keine großen Märkte, auf denen sie ihre Waren verkaufen konnten, und die Steuern, die der König in den letzten Jahren stetig erhoben hatte, lasteten schwer auf vielen Haushalten. Keiner konnte es sich leisten, eine gute Legehenne zu verlieren, geschweige denn ein Schaf oder womöglich eine Kuh.
Es herrschte allgemeine Panik in der Bevölkerung, und die sonst so geselligen Sumpfländer verschanzten sich abends in ihren Häusern. Agnus fürchtete, sie würden bald den Ebelsberg stürmen, diesen angeblichen Wissenschaftler Nestalor Wasoro aus seinem Turm ziehen und an der nächsten Eiche erhängen. Doch das galt es erst mal zu verhindern. Der König würde in diesem Fall Recht sprechen, und ein Meuchelmord könnte schwerwiegende Folgen haben.
»Ihr glaubt mir auch nicht«, sagte er nach einer Weile geknickt. Er wusste selbst nicht, warum es ihm so wichtig war, dass diese beiden Fremden ihm glaubten. Sie würden ihm nicht helfen können.
»Es ist nicht so, dass wir dir nicht glauben wollen«, begann Walter. »Aber Gnome!? Gnome kommen wirklich nur noch in Geschichten vor.«
»Ja! Und jetzt stell du dir mal vor, hier herrschen bald wieder Zustände wie zu den Zeiten vor König Peregrin dem Ersten. Hätten er und der heilige Archiepiskopos nicht dafür gesorgt, dass all die Zauberer in den Eichenwäldern dieses Landes gehängt worden sind, hätte vielleicht heute jeder von uns Gnome gesehen, und ich würde jetzt nicht wie ein Trottel dastehen und versuchen zu erklären, was mir selbst noch unerklärlich ist«, knurrte Agnus. »Stell dir vor, die alten Zeiten kämen wieder.«
»Friede Freund, Friede«, bemerkte Hartmut milde. »Ich glaube dir. Es gibt immer mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, die wir nicht verstehen, als solche, die wir verstehen.« Als hätte er schon zu viel gesagt, setzte er seinen Krug an den Mund und trank durstig. Mit dem Handrücken wischte er den Schaum aus seinem Bart und starrte eine Weile ins Nichts.
»Stell dir vor, die alten Zeiten kämen wieder«, murmelte er schließlich. »Stell dir vor …«
»Jetzt hör aber auf«, mahnte Walter.
»Meine Großmutter sagte das auch immer«, behauptete Hartmut
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