Neobooks - Hinter verborgenen Pfaden: Der geheime Schlüssel I (German Edition)
nötig hatten, und brachte sie zum Waschtrog in den Garten.
Die Arbeit lenkte Josua ab. Seine Miene wurde zunehmend entspannter, und er begann auch wieder zu sprechen.
»Du hast doch Vaters Base, Jana – so heißt sie doch – schon gesehen?
Philip nickte.
»Wie ist die so?«
»Krank«, antwortete er einsilbig.
»Glaubst du, sie bleibt bei uns?«
Philip zuckte mit den Schultern.
»Das wäre gut, weil sie dann Mutter bei der Hausarbeit helfen könnte. Wäsche waschen ist blöd.«
»Zumindest werden die Finger davon richtig sauber«, brummte Philip und begutachtete seine aufgeweichten Hände.
»Ich will keine sauberen Hände«, protestierte Josua. »Nur reiche Säcke haben saubere Hände.« Er warf das Hemdchen zurück ins Wasser und fing an zu heulen. »Lennart hat das auch gesagt.«
»Was?«, fragte Philip verständnislos.
»Dass wir reiche Säcke sind.«
»Wie kommt er darauf?«
Josua wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und sah Philip böse an. »Weil alle bei uns zur Schule gehen, weil wir ein Haus und eine Schmiede haben und weil du schon größer bist als sein Vater und immer noch keine Lehrstelle hast«, zählte er zornig auf. »Warum hast du keine Lehrstelle wie alle anderen?«
Mit dieser Frage hatte Philip nicht gerechnet. »Ich wollte gerne weiter zur Schule gehen«, sagte er. »Mutter und Vater waren damit einverstanden, aber darum sind wir doch keine reichen Säcke.« Er rubbelte wild an einer Hose seines Vaters und dachte daran, was für ein Gerede es im Ort geben würde, wenn er in diesem Sommer tatsächlich im Monastirium Wilhelmus mit dem Studium begann. Wie seine Eltern das bezahlen wollten, war ihm ohnehin schleierhaft.
Als er aufblickte, sah er Mutter in der Tür stehen. Sie lächelte.
»Ihr macht das wirklich gut.«
Josua murmelte etwas vor sich hin, erfreut klang er nicht.
»Ich hab ein wenig Zeit. Ich könnte euch was erzählen.«
»Eine Geschichte«, brummte Josua ohne jede Begeisterung. Wahrscheinlich wäre es ihm, genau wie Philip, lieber gewesen, die Mutter hätte an ihrer Stelle die Wäsche gewaschen.
Josephine aber setzte sich auf die schmale Holzbank neben der Tür und lehnte sich mit dem Rücken an die Wand.
»Eine wahre Geschichte«, begann sie. »Damit du verstehst, Josua, dass das, was des einen Wohlstand ist, das Leid eines anderen bedeutet. Die Schmiede, so wie ihr sie kennt, wurde nach dem großen Krieg erbaut.«
Philip erinnerte sich, dass Theophil in der Schule über diesen Krieg gesprochen hatte. Es war vor etwa hundertfünfzig Jahren der letzte Krieg zwischen Ardelan und Mendeor gewesen. Ardelan hatte dem übermächtigen Nachbarn getrotzt, aber die Verluste waren gewaltig. Corona, einst die Hauptstadt von Ardelan, war vollständig zerstört worden. Nach dem Krieg hatte König Willibald die Falkenburg errichten lassen und Waldoria zur neuen Hauptstadt ernannt.
»Als Waldoria immer größer wurde, musste die alte Stadtmauer abgerissen und eine neue gebaut werden. Dies war die Gelegenheit für euren Urahnen, die Schmiede zu errichten. Doch während er noch glaubte, damit jedem seiner beiden Söhne zu einem Erbe verholfen zu haben, starb der eine. Der andere hatte sieben Kinder, bis eine Seuche in der Stadt wütete, die seine Frau und sechs seiner Kinder dahinraffte. So befand sich der gesamte Familienbesitz selbst nach zwei Generationen immer noch in einer Hand.«
Josua hatte aufgehört die Wäsche zu rubbeln. Seine Hände hingen ins Wasser.
»Es war wie ein Fluch, der über diesem Haus hing. So wie das Haus und die Schmiede von Generation zu Generation weitervererbt wurden, schien auch der Fluch einer hohen Kindersterblichkeit weitervererbt zu werden. Drei Ehefrauen eures Urgroßvaters starben gemeinsam mit ihren Kindern im Kindbett und erst im hohen Alter gebar ihm seine vierte Frau einen Erben, euren Großvater. Doch auch er hatte wenig Glück. Von den fünf Geschwistern eures Vaters erlebten drei ihren ersten Geburtstag nicht. Einer seiner Brüder starb im Alter von zehn Jahren, als er von einem Baum herunterfiel. Einzig seine Schwester, eure Tante Irmtraut aus Mendebrun, lebt heute noch.« Phine seufzte. »Das, was wir heute als Glück oder Wohlstand bezeichnen können, hat eine lange Tradition von Tränen.«
»Und wenn wir auch alle sterben?«, fragte Josua.
»Josua!«, schimpfte Philip, aber Phine lächelte nachsichtig.
»Nein«, sagte sie. »Ihr werdet nicht sterben. Keiner von euch sieben.«
»Sieben?!« flüsterte Philip, aber seine
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