Neobooks - Hinter verborgenen Pfaden: Der geheime Schlüssel I (German Edition)
hast.« Ala’na neigte den Kopf, um den Dank ihrer Schwester zu erwidern. Sie war so furchtbar entstellt und musste unglaubliche Schmerzen ertragen, dass Ala’na sich schon gefragt hatte, ob sie ihr einen Gefallen damit getan hatte, als sie sie nicht nach As’gard hatte weiterziehen lassen. »Ruh dich aus. Sobald der Rat zu Ende ist, werde ich kommen und dir berichten.« Damit stand sie auf und verließ das Zimmer.
Draußen blieb sie eine Weile stehen und sammelte sich. Im Haus der Versammlung wartete der große Rat auf ihr Eintreffen. Noch einmal atmete Ala’na tief durch, dann machte sie sich auf den Weg. Ihre langen Haare wehten hinter ihr her. Sie hielt das Kinn energisch nach vorne gerichtet. Ihr Gang war geschmeidig, ihre Haltung anmutig, und aus ihren Augen sprach der unbezwingbare Wille, so bald wie möglich Klarheit in diese undurchsichtige Situation zu bringen. Sie war entschlossen, die alte Ordnung wiederherzustellen. Erst kurz vor dem Haus mäßigte sie ihre Schritte. Würdevoll betrat sie den Saal. Es war ein halboffener Raum, dessen Wände aus säulenartigen Bäumen bestanden, die ihre Kronen zu einem Dach vereinigten. In der Mitte konnte man den Himmel sehen.
Als Älteste war es ihre Aufgabe, den Rat zu eröffnen, und so blieb sie nach dem Eintreten in die Halle vor ihrem Platz stehen. Augenblicklich herrschte erwartungsvolle Stille. Ala’na spürte, wie ihr Herz seine Tätigkeit beschleunigte, und war einen Moment von ihrer Aufgabe abgelenkt. Nach all den Jahrhunderten, die ihr nun diese Aufgabe oblag, war sie immer noch aufgeregt.
Der gesamte Ältestenrat von Pal’dor war anwesend, dazu noch die vierzehn Gesandten aus den anderen Städten. Sie alle warteten geduldig, bis Ala’na ihre Stimme erhob und mit der Begrüßung begann.
»Seid willkommen! Ihr, die ihr die Reise auf euch genommen habt, um mit uns in Pal’dor zu sein. Und seid auch ihr willkommen, die ihr hier wohnt und an diesem Tag der Beratung eure Zeit hier verbringt.
Der Anlass, der uns heute hier vereint hat, ist kein freudiger.« Einige in der Runde nickten. »Aber wir wollen hoffen, dass wir die richtigen Entscheidungen treffen und bald wieder Ruhe und Ordnung in unseren Städten herrscht.« Sie machte eine kurze Pause und richtete den Blick auf Rond’taro. »Es war Rond’taro, der um diesen Rat bat, und darum soll er zuerst sprechen, auch wenn weitere Ereignisse dazugekommen sind, die uns alle sehr erschüttert haben.« Ohne die Augen von ihrem Mann abzuwenden, setzte sie sich. Rond’taro stand langsam auf und musterte dabei jeden in der Runde.
»Pal’dor«, begann er, »ist die Stadt, die den besiedelten Gebieten der Menschen am nächsten liegt, doch der Wald, der uns umgibt, hinderte sie meistens daran, uns zu nahe zu kommen. Damit er uns diesen Schutz bieten kann, müssen wir ihn und alle seine Bewohner pflegen.
Um dies zu tun, zog ich mit fünfundzwanzig Getreuen nach Re’n Dal, von wo aus in letzter Zeit verstärkt kranke und verwundete Tiere zu uns eindrangen. Solange wir uns im Schutz des Waldes aufhielten, konnten wir nichts Außergewöhnliches entdecken, und so gingen wir hinaus in die Hügel, die unsere Vorväter bewohnten. Wir lagerten erst eine Nacht außerhalb des Waldes, da wurden wir von Kreaturen heimgesucht, wie sie keiner von uns je gesehen hat. Sie kamen unerkannt ganz nahe an uns heran, und der Zauber, der sie umgab, fiel erst, als sie sich todesmutig auf uns stürzten.«
Bei dem Wort Zauber ging ein Raunen durch die Reihen der Elben, das wie das Flüstern des Windes in den Blättern klang.
»Fast die Hälfte von uns starb in dem Gefecht.« Rond’taro ließ die Augen sinken. Tiefe Trauer zeichnete sich in seinen Zügen, doch in seinen Augen, für die anderen unerkannt, lag ein kämpferischer Glanz, den Ala’na nur zu gut kannte. »Eine Gefahr lauert in Re’n Dal, die stärker ist als jede andere Gefahr in diesem Land bisher. Ein Zauber, den zu spüren uns kaum möglich ist, umgibt grausame Wesen.« Er machte eine kurze Pause. »Um herauszufinden, woher sie kommen, haben wir versucht, ihren Spuren zu folgen. Ich sage versucht, denn mehrere Tage irrten wir durch die Quellenberge, ohne eine Ahnung davon zu haben, wo wir suchen sollten. Auf dem Moosberg verdichtete sich der Schleier des Zaubers so sehr, dass er unsere Sinne überreizte. Es war unmöglich, darin Gefahren zu erkennen. Die meisten von uns waren verletzt und müde. Wir brachen die Suche ab und kehrten heim. Deshalb bat ich Ala’na
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