Neobooks - Hinter verborgenen Pfaden: Der geheime Schlüssel I (German Edition)
gelangen konnte. Eine junge Elbin, unerfahren und mit wenigen Gaben ausgestattet wie Jar’jana, in der Gewalt eines Zauberers bedeutete über kurz oder lang den Untergang des elbischen Volkes, wenn nicht gar der ganzen Welt. Die Macht, die ein Zauberer mit Hilfe einer Elbin erlangen konnte, war grenzenlos. Unvorstellbar. Doch die meisten Menschen waren ahnungslos. Der letzte menschliche König, der eingeweiht gewesen war, war seit anderthalb Jahrhunderten tot.
Die Gefahr, in der sie schwebten, war so groß, dass Ala’na sich einen Augenblick lang wünschte, Jar’jana und das Kind lebten nicht mehr – so schmerzlich sie dieser Verlust auch treffen würde. Sie verscheuchte diese düsteren Gedanken, holte Luft und setzte erneut zum Sprechen an.
»Zudem bemerke ich als Herrin des Sees Latar’ria und Hüterin des Dreiecks seit einiger Zeit Veränderungen. Latar’ria ist launischer denn je, ihre Vorhersagen sind düster, sie ist undurchsichtig und unruhig. Dunkle Gedanken brodeln in der Tiefe des Wassers, und ich würde gerne erfahren, was ihr, deren Städte sich an großen Gewässern befinden, beobachtet habt.« Ala’nas Blick streifte die Gesandten von Mar’lea und Lac’ter. Sie konnte in ihren Augen lesen, dass auch sie Unruhe in ihren Gewässern gesehen hatten.
Leise seufzend ließ sie sich auf ihrem Platz nieder. Jetzt, da sie ihre Befürchtungen ausgesprochen hatte, lasteten sie nicht mehr alleine auf ihr.
Eder’senol, einer der Gesandten aus Lac’ter, erhob sich und sagte:
»Auch wir im Engelsee lauschen schon seit geraumer Zeit der ungewöhnlichen Musik des Wassers. Erst war es der Engelsfluss, der hin und wieder einen eigenartigen Beiklang in den See brachte. Wir maßen all dem keine besondere Bedeutung bei, denn es gibt immer Zeiten, in denen sich Quellen und Flüsse verändern, und dann tun es auch ihre Lieder. Irgendwann fing aber auch der Säbelfluss an, neue Geräusche in den See zu tragen. Langsam, aber doch stetig nahmen diese Klänge zu. Oft trüben sie über Tage das Wasser und lassen es in seinem Innersten schäumen. Manche von uns hegen den Verdacht, dass an den Quellen dieser beiden Flüsse etwas haust, das ihr Missfallen weckt. Manche behaupteten sogar, es könnte sich um die Schergen der Zauberer handeln.« Er setzte sich. Ala’nas Unruhe wuchs. Hatte sich das Volk der Elben schon so weit in sich zurückgezogen, dass Gnome in Ardea’lia schweigend zur Kenntnis genommen wurden?
Eigentlich hatte sie gehofft, nun einen Gesandten aus Mar’lea zu hören, doch stattdessen erhob sich Mendu’nor aus Munt’tar.
»Ihr sprecht von Wesen, die ein Zauber beflügelt, ihr sprecht von den Schergen der Zauberer. Viele Jahre sind vergangen, seit die Zauberer und ihre Schergen ungehindert durch die Lande wandern konnten. Die Menschen haben sie schließlich vertrieben, so wie sie alles vertrieben und vernichtet haben, was ihnen nicht geheuer war, Angst machte oder ihr Leben in irgendeiner Art beeinträchtigte. Als ihnen die Zauberer lästig wurden und sie meinten, ihre Dienste nicht mehr zu benötigen, erhängten sie sie alle, bis man von Munt’tar bis Frig’dal kaum noch eine Eiche ohne einen daran baumelnden Zauberer finden konnte.
Dieses Land ist bis in die letzten Winkel von den Menschen aufgeteilt und besiedelt. Sie hüten ihren Besitz wie ein Dachs seinen Bau. Wieso sollten sie nun bereit sein, ihr Land und ihr Leben mit Zauberern und deren Schergen zu teilen? Wieso sollten sie sie jetzt am Leben lassen, wenn sie zuvor alle anderen gehängt haben?«
»Diese Fragen, Mendu’nor, beschäftigen auch mich.« Ala’na ärgerte sich insgeheim, dass der Aufruf zu diesem Rat offensichtlich von den meisten Städten als willkommene Abwechslung angesehen wurde.Sie sah viele junge und unerfahrene Gesichter. Mendu’nor war ein Kind, das noch in den Steilwänden seiner Heimatstadt gespielt hatte, als der letzte Zauberer in Ardelan gestorben war. Drei- bis vierhundert Jahre Angst und Schrecken bei Menschen und Tieren und alle Vorkehrungen der Elben, sich vor den Blicken der Zauberer zu verstecken und ihre missgestalteten Gehilfen aus ihren Gebieten fernzuhalten, hatte er nicht erlebt.
»Aber du musst bedenken, dass die Menschen von damals nicht die Menschen von heute sind. Viele Generationen liegen dazwischen, es gab Kriege, die die Menschen von Norden nach Süden und von Westen nach Osten wandern ließen. Könige sind aufgestiegen und vergangen, ja ganze Geschlechter sind vernichtet worden und neue
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