Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Neonazis in Nadelstreifen

Neonazis in Nadelstreifen

Titel: Neonazis in Nadelstreifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Andrea und Speit Roepke
Vom Netzwerk:
Aufgrund der »Einzigartigkeit« des Entwurfs vom Architekten Ludwig Limmer sei die Unterstützung »als Förderer oder durch ein Vermächtnis« gerechtfertigt. Bei all diesen Aktivitäten ist es umso verwunderlicher, dass der Verein Gedächtnisstätte e.V. – trotz seiner Nähe zu zahlreichen vorbestraften Alt- und Neonazis – vom Finanzamt in Herford als gemeinnützig anerkannt worden ist und dem Staatsministerium des Innern in Sachsen im März 2007 nicht als »rechtsextremistische Organisation« gilt. Dabei hatte genau dieses Ministerium ein Jahr zuvor deren Vereinsgründerin als verurteilte Holocaust-Leugnerin verortet. Die Taktik der Altnazis scheint aufzugehen: nicht anecken, Spenden sammeln, Steuern sparen.

Auch der Sohn des verstorbenen Architekten Limmer war bei dem Haverbeck-Projekt in Borna involviert. Als Miteigentümer der Immobilie in der Röthaer Straße trat Hans Christian Limmer vom März bis zum Juni 2006 in Erscheinung. Inzwischen gehört das Gelände laut Grundbucheintrag nur noch seiner Mutter. Limmer hätte Grund, sich bedeckt zu halten: Als »Erfinder« und geschäftsführender Gesellschafter einer Selbstbedienungs-Bäckereikette mit etwa 140 Filialen und rund 70 Millionen Euro Umsatz steht er im Blickpunkt der Öffentlichkeit.
    In den frühen Morgenstunden des 7 . Mai 2008 durchsuchten Beamte etwa 30 Objekte im Umfeld des Collegium Humanum von Ursula Haverbeck und ihren Unterstützern. Nach geltendem Recht verstößt der Verein, wie auch seine Unterorganisationen Bauernhilfe e.V. und der Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocaust Verfolgten e.V., gegen die verfassungsmäßige Ordnung; Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble ließ sie verbieten – rechte Treffen in Vlotho finden damit ein Ende. Doch der Verein Gedächtnisstätte e.V. blieb bestehen. Anfang August fanden sich rund 200 junge und alte Gäste des rechten Spektrums in Borna ein und feierten den 95 . Geburtstag des ehemaligen Göring-Vertrauten und Ritterkreuzträgers Hajo Herrmann, unter ihnen Ursula Haverbeck und Gisela Limmer.
    Zu den Gratulanten zählten auch der NPD -Vorsitzende Udo Voigt sowie der extrem rechte Liedermacher Frank Rennicke. Junge Männer, artig mit Scheitel und in weißen Hemden gekleidet, zelebrierten auf der Anlage ungestört ein anachronistisch anmutendes Szenario mit Fahnenträgern, Schweigemarsch und Heldenliedern, wie veröffentlichte Videoaufnahmen belegen. Borna und seine einschlägige Gedenkstätte entwickeln sich unter den Augen der Öffentlichkeit zu einem »Mekka für junge und alte Nazis«, kritisiert die Landtagsabgeordnete Kerstin Köditz von der Linksfraktion. Dort entstehe ein Ort, an dem sich Täter und deren Gefolgsleute »unter dem Schleier des Gedenkens deutscher Leidtragender« ungeniert zu Opfern verklären könnten.
    Eigene Immobilien sind für Neonazis das Fundament, um autonome ökonomische Strukturen für ihre nur aus Deutschen bestehende »Volksgemeinschaft« schaffen zu können. Eine regionale Verankerung im vorpolitischen Raum sowie eigene »national befreite« Sozialräume zu gründen gehört zu diesen Zielen. Dafür wird viel Geld benötigt. Bundesweit wird die Anzahl der Großimmobilien von Kennern der Szene auf ungefähr 50 geschätzt, das Bundesamt für Verfassungsschutz ging 2007 eher restriktiv von 20 aus. Darüber hinaus verfügt die Szene zurzeit über rund 100 rechtsextreme Musikvertriebe. Einige der größeren Betreiber wie Jens Pühse oder Thorsten Heise treten zunehmend als Skinheads in teuren Anzügen auf. Sie sind Vorbild für alle, die versuchen, das Hobby zum Geschäft zu machen. Neonazis eröffnen Kampf- und Tattoostudios in zahlreichen Städten. Auch Merchandising rentiert sich. Experten zählen aktuell 45 Geschäfte mit Szenekleidung, die direkt von Angehörigen aus dem braunen Spektrum betrieben werden. Gelegentlich liegen Szenemarken wie Troublemaker, H 8wear , Sport Frei oder Pro Violence auch mit im Sortiment von Outdoor- oder Sportgeschäften.
    Eine eigene Erfolgsbilanz verzeichnet Thor Steinar, die beliebteste Bekleidungsmarke der Rechten. Die Kollektionen des Labels aus Königs Wusterhausen mit Aufschriften wie »Nordmark«, »Munin Wappen«, »Ultima Thule« und völkischer Symbolik werden überwiegend über einschlägige Versandfirmen und Geschäfte vertrieben, mittlerweile allerdings auch in regulären Sport- oder Fachgeschäften angeboten. Ladengeschäfte gab es kurzfristig auch im Hundertwasser-Haus im Zentrum Magdeburgs oder in

Weitere Kostenlose Bücher