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Neonazis in Nadelstreifen

Neonazis in Nadelstreifen

Titel: Neonazis in Nadelstreifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Andrea und Speit Roepke
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Eschede seinen Unmut über die Anwesenheit von Polizei und Pressevertretern. Jahrelang waren die Lager der HDJ nicht aufgefallen, gingen sogar als harmlose Pfadfindertreffen durch, jetzt schränkt öffentliches Interesse die Bewegungsfreiheit der Neonazis ein. Immer wieder schickt Räbiger junge Männer des »Technischen Dienstes« der HDJ zur Straße, um das Gelände vor allzu neugierigen Beobachtern zu sichern. Dunkel gekleidete junge Ordner behindern Journalisten, bauen sich mit Drohgebärden vor ihnen auf und versuchen Fotos und Filmaufnahmen zu verhindern. Räbiger berät sich auf dem Lagerplatz mit Kameraden wie Jörg Hähnel und Michael Gielnik, beide Mitarbeiter der NPD -Fraktion im Schweriner Landtag. Räbigers Ehefrau lässt sich nur kurz blicken, auch sie engagierte sich lange Zeit im Umfeld der NPD , in Brandenburg. Mittlerweile kümmert sie sich, wie die meisten Aktivistinnen der HDJ , vorrangig um Familie und Erziehung.
    Die Bundesführerin der HDJ , Holle Böhm, gebürtig aus dem nordfriesischen Tönning, stellt eine Ausnahme dar: Sie ist ledig, über 30 und bisher ohne Kinder. Ungewöhnlich für ein Spektrum, in dem junge Familien nicht selten bereits fünf oder sechs Kinder haben, die auf germanisch klingende Namen wie Armin, Hedin oder Sunhild hören. Im Escheder Zeltlager laufen Frauen umher, die Kleinkinder an der Hand halten und bereits wieder hochschwanger sind. Die Rollenverteilung dieser völkischen Gemeinschaft ist klar definiert. Schon junge Mädchen werden an die Verpflichtung zum »Erhalt der eigenen Art« erinnert. Holle Böhm gilt dennoch als beliebte Repräsentantin, seit Ende 2005 führt sie die HDJ als »Bundesmädelführerin« an. Die gelernte Steuerfachgehilfin hat es im Fernstudium zur Finanzwirtin geschafft. Politisches Ansehen innerhalb der Szene genießt die kleine unscheinbare Frau mit dem blonden Dutt und der Nickelbrille wegen ihrer Herkunft, denn sie entstammt einer bekannten braunen »Sippe«, einem generationsübergreifenden Familienverband. Ihr Großvater mütterlicherseits gehörte der SS -Division »Leibstandarte Adolf Hitler « a n und war zum Ende der Nazi-Zeit SS -Brigadeführer. Nach dem Krieg arbeitete er ebenso wie seine Ehefrau wieder als Lehrer. Tochter Ingeborg trat in die beruflichen Fußstapfen ihrer Eltern und heiratete den Sozialpädagogen Rolf Dieter Böhm, Holles Vater. Die Eltern waren überzeugte Rassisten, ihre sechs Kinder wurden streng erzogen. Mit dem zehnten Lebensjahr traten die ältesten Böhm-Kinder der Wiking-Jugend bei. Die Familie betrieb mittlerweile einen Pony-Ferienhof, den »Thulehof« in Sandwehle bei Garding in Schleswig-Holstein . Rolf Dieter Böhm gehörte Ende der 70 er Jahre zu einer Husumer Neonazi-Gruppe, deren Angehörige ein britisches Militärfahrzeug überfielen, um Waffen zu stehlen. Statt Waffen erbeuteten die Neonazis aber einen Tresor. Später stellten sie dann fest, dass darin geheime Dokumente der NATO lagerten – von Telefonlisten bis zu Raketencodes. Mit dem Material wollten die sechs Neonazis den Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß aus alliierter Haft in Berlin-Spandau freipressen. »Tauschen Safe für die Freiheit Rudolf Heß«, ließen sie als Werwolf Deutsches Reich per Post die britische Armee wissen. Als die Gruppe dann im März 1979 einen Brandanschlag auf eine Freimaurerloge in Hamburg vorbereitete, bekamen die Sicherheitsbehörden Wind davon. Unter dem Vorwurf, eine »terroristische Vereinigung« gebildet zu haben, wurden sechs Neonazis festgenommen. Zuvor war der Gruppe bereits ein Anschlag auf die Flensburger Staatsanwaltschaft gelungen. Auch Böhm musste ins Gefängnis.
    Die Familie verfügte über enge Kontakte ins internationale rechtsextreme Lager. Anfang der 90 er Jahre wanderte Holle mit einem Teil ihrer Familie nach Argentinien aus. Während Ingeborg Böhm an einer deutschen Schule unterrichtete, arbeitete Rolf Dieter Böhm zeitweilig für die deutsche Handwerker- und Siedlergemeinschaft in der Provinz Córdoba. Holle kehrte jedoch nach Deutschland zurück, die Eltern folgten ihr wenig später. Sie machte ihr Abitur und zog zur älteren Schwester Gesine und deren Ehemann Sascha Stein, dem ehemaligen »Gauführer Berlin« der Wiking-Jugend, nach Hohen Neuendorf in Brandenburg. Einige der Böhm-Kinder pflegen weiterhin die nationalistischen Traditionen von Eltern und Großeltern. Gesine ist ebenfalls im pädagogischen Bereich tätig, schickt die ältesten ihrer fünf Kinder aber regelmäßig in die Lager

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