Neongrüne Angst (German Edition)
Einwand fand, und dann fügte er hinzu: »Glaubst du, dass ich mich mit solcher Kinderkacke beschäftige? Enttäusch mich nicht noch einmal.«
»Ich werde nicht kommen«, sagte sie tapfer.
Er lachte. »Oh doch. Das wirst du. Glaub mir. Zehn Uhr. Sei pünktlich. Ich kann es nicht leiden, wenn man mich warten lässt. Und glaub nicht, dass ich dir noch einmal Rosen schenke. Wie konntest du sie in den Mülleimer werfen?! Das war wirklich nicht nett von dir. Nein, nett war das nicht …«
Verflucht, dachte Johanna. Beobachtet der mich die ganze Zeit? Woher weiß der, dass ich den Strauß weggeschmissen habe?
Er legte auf, und sie hörte ein dumpfes Rauschen. Sie lief zum Fenster und obwohl die Rollläden unten waren, zog sie noch die Vorhänge vor.
9
Je länger er darüber nachdachte, umso klarer wurde für Leon, dass Krüger der Flüsterer war. Es spitzte sich alles auf Volker zu.
Zu Tobias Zenk hätte es charakterlich auch gepasst, fand Leon, aber der war im Grunde ein Weichei und kaum zu so etwas in der Lage. Der betörte Mädchen, indem er Stimmen nachmachte, Schauspieler imitierte, und so perfekt er es auch machte, konnte er doch nicht darüber hinwegtäuschen, dass er keine eigene Persönlichkeit besaß und deswegen andere imitieren musste. Trotzdem flogen ihm die Mädchenherzen nur so zu.
Volker Krüger hingegen war genau der Typ, der sich einfach nahm, was er haben wollte, und der es bei Mädchen besonders schwer hatte. Er musste Leute von sich abhängig machen. Richtige Freunde hatte er nicht. Entweder hatten die Menschen Angst vor ihm, oder sie brauchten seine Drogen.
Er dealte mit Tilidin. Offensichtlich hatte er einen Arzt gefunden, der ihm die Rezepte dafür ausstellte. Das Zeug machte aggressiv und schmerzunempfindlich. Vor einem Kampf konnte es wertvoller sein als eine Schusswaffe.
So schaffte er sich sein kleines Universum, in dem er der König war, angeblich hatte er sogar Drogen an einen Lehrer verkauft und ihn dann erpresst. Man munkelte, er sei deswegen von der Schule geflogen, aber das waren möglicherweise nur Gerüchte.
Ich werde ihn mir vorknöpfen, dachte Leon.
Der Gedanke hatte etwas Tröstliches, ja Erholsames, und Leon kam zur Ruhe. Er sackte in einen kurzen Erschöpfungsschlaf, wurde dann aber wieder wach, weil sein Vater und Trudi sich stritten. Sie brüllten sich an, und jeder beschuldigte den anderen, für die finanzielle Misere verantwortlich zu sein.
»Musstest du denn deinem Sohn auch noch ein Auto finanzieren?«, keifte sie.
»Der Einzige, der hier Arbeit hat, sollte doch wenigstens beweglich sein«, schimpfte Holger Schwarz zurück, und sie konterte: »Das hast du doch bloß gemacht, um dein schlechtes Gewissen zu beruhigen. Der Junge hat doch nie eine richtige Erziehung genossen. Guck dir den mal an! Aus dem wird nie was!«
Okay, dachte Leon, das höre ich mir jetzt nicht länger an. Es gibt viel zu tun. Packen wirs’s an.
Es gelang ihm, seine ganze Wut auf Volker zu projizieren. Ja, es tat ihm sogar gut, jetzt zu dieser hassenswerten Person hinzufahren. Er wollte etwas tun, auf das er stolz sein konnte. Und er wusste genau, was es war.
Wortlos ging er an den beiden Streitenden im Wohnzimmer vorbei, zurück zu seinem Auto, und fuhr wieder nach Bremerhaven.
Im Auto stellte er sich vor, wie er Krüger durch die Gegend prügelte. Der war einfach nicht gewöhnt, dass man ihm Widerstand entgegensetzte. Heute würde er seinen Meister finden, da war Leon sich ganz sicher.
Er ließ sich nicht mehr ins Bockshorn jagen. Von keinem. Schon gar nicht von so einem verblödeten Freak.
In Geestemünde-Süd hielt er in der Helgoländer Straße und ging zu Fuß zum Lister Tief. Vor langer Zeit hatte Volker hier in seiner elterlichen Wohnung mal eine legendäre Fete gegeben, die mit einem Polizeieinsatz beendet wurde, weil Nachbarn sich belästigt fühlten. Damals war Leon noch stolz gewesen, mit dabei zu sein. Erst viel später hatte er erkannt, was Volker wirklich für einer war.
Leon hatte Glück. Bei Volker brannte noch Licht. Er saß vor dem Flachbildschirm und zog sich Saw Teil 3 rein. Er liebte Filme, in denen so richtig Blut floss. Die meisten Horrorfilme waren ihm zu langweilig, weil die Kamera im entscheidenden Moment immer irgendwo anders hinschwenkte, was für ihn ein klarer Regiefehler war. Er wollte Menschen leiden sehen.
Weil Leon keine Lust hatte, es mit Volkers Eltern zu tun zu bekommen, warf er ein paar kleine Steinchen gegen die Fensterscheibe.
Volker hörte
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