Neongrüne Angst (German Edition)
rausgefallen. Und ich glaube, das war es auch, was der Täter vorhatte.«
»In seiner eigenen Achterbahn aus dem Looping zu fallen, das ist schon der Hammer.«
»Ja, mit einer Mülltüte über dem Kopf. Damit wollte er uns sagen, was diese Leute für ihn sind: nämlich Abfall.«
Büscher kaute. »Hm.«
»Pit Seidel wurde aber kein Müllsack über den Kopf gestülpt, sondern eine Einkaufstüte. Außerdem ist Pit Seidel nicht tot, sondern er wurde nur verletzt. Wer immer das auf dem Freimarkt gemacht hat, dem traue ich auch zu, dass er jemanden umbringt, wenn er es gerne möchte. Nur ein Schlag mehr, und bei Pit wäre das der Fall gewesen. Die Köpfe von Ken und Boris Hauser wurden zermatscht. Aber Pit hat nur eins über die Rübe gekriegt.«
»Und was folgerst du daraus, Löckchen?«, fragte Büscher.
Sie gingen am Museumsschiff FMS »Gera« vorbei, und Büscher wäre am liebsten wieder umgedreht, um sich noch ein Aalbrötchen zu holen.
Dieses Zeug macht auch süchtig, dachte er. Wenn man einmal damit angefangen hat, kriegt man einfach nicht genug.
Er stieß auf, und so wurde in seinem Magen noch mehr Platz frei.
»Entweder«, sagte Kommissarin Schiller, »hatte der Täter Pit nicht als Opfer eingeplant und wollte ihm nur eine Lektion erteilen …«
»Ihm Angst machen?«, fragte Büscher.
»Also, ich an seiner Stelle hätte jetzt Angst. Todesangst. Der Junge lag aber ziemlich relaxed da.«
»Vielleicht liegt das an den Drogen, die diese vorlaute Ärztin ihm eingepfiffen hat«, grinste Büscher.
Schiller fand einen Abfalleimer und brachte ihre Bananenschale dorthin. »Oder wir haben es mit einem Nachahmungstäter zu tun, und der hat das Prinzip nicht ganz verstanden beziehungsweise keine Müllbeutel zur Verfügung und nahm dann einfach das, was er kriegen konnte. Eine Aldi-Einkaufstüte.«
»Nachahmungstäter«, äffte Büscher sie nach. »Das kennt man aus der Fachliteratur. Aber doch nicht bei uns in Bremerhaven. Und dann noch an einem Abend. Das würde ja bedeuten, der Täter hätte die zwei Morde beobachtet und dann versucht, sich dranzuhängen. Warum sollte einer so was tun? Der müsste doch völlig plemplem sein.«
Er klatschte sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. »Wenn er diesem Pit eins verpassen wollte, dann hätte er ihn zusammenhauen können und fertig. Die Gefahr, erwischt zu werden, ist nicht besonders groß, und darauf steht auch nicht gerade lebenslänglich. Wenn er dann aber riskieren muss, gleich für zwei Morde verantwortlich gemacht zu werden, sitzt er den Rest seines Lebens im Gefängnis ab. Also, das glaube ich nicht.«
»Es sei denn«, überlegte Schiller, »er will Angst und Schrecken verbreiten.«
»Reichen dazu nicht die zwei Morde?«
»Ja, vielleicht, um die Schausteller aufzuscheuchen. Aber jetzt fürchten sich auch alle Jugendlichen der Stadt. Und die Schüler. Vielleicht ist es das, was er uns sagen will: Es kann jeden treffen.«
21
Leon bekam auf Facebook innerhalb einer Viertelstunde mehr Nachrichten von alten Freunden und Klassenkameraden als in den letzten drei Wochen.
Leon wurde von seinem Chefredakteur ohnehin dazu ermuntert, das Internet und Portale wie Facebook und Twitter zu nutzen, aber heute unterschieden sich auch die privaten Infos deutlich von den sonstigen. Niemand postete: Kein Bock auf Schule oder Heute Nachmittag schön chillen.
Es gab auch keine Nachrichten über den neuesten Beziehungsstress oder Shoppingerfolge. Stattdessen nur blankes Entsetzen über die Looping-Morde , wie das Verbrechen auf dem Freimarkt inzwischen genannt wurde. Jeder Zweite schien die beiden Opfer plötzlich gut gekannt zu haben, und jeder, der einmal beinahe Chips bei ihnen gekauft hätte, phantasierte in seiner herausgestellten Trauer eine Freundschaft mit Ken oder Boris zusammen.
Leon wusste sofort, was jetzt in Johanna vorging. Sie würde die Ereignisse dem Typen zuschreiben, der sich ihr Verehrer schimpfte.
Leon hatte eigentlich viel zu tun. Er musste das Interview tippen und zusammenkürzen und den Artikel über den Schüleraustausch schreiben. Immerhin neunzig Zeilen mit Foto und Bildunterschrift. Die Zeit war knapp. Der Abgabetermin nah. Trotzdem rief er zunächst Johanna an.
Sie war völlig neben der Spur, behauptete sofort, der Verehrer, den sie jetzt den Flüsterer nannte, hätte wieder zugeschlagen und diesmal noch viel brutaler.
»Das war Volker nicht«, sagte Leon ruhig. »Das ist für den eine Nummer zu groß. Einen Eimer auf die Straße zu werfen und
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