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Neongrüne Angst (German Edition)

Neongrüne Angst (German Edition)

Titel: Neongrüne Angst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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ihn jeder hören konnte: »Ich krieg euch, ihr gottverdammten Mistkerle! Milhailo! Pjotr! Jurij! Ich hol euch, einen nach dem anderen, und wenn es das Letzte ist, was ich in meinem Leben tue!«
    Johanna ging rückwärts, um ein bisschen Abstand zu bekommen. Sie wurde am Rücken von einem Fell berührt, und sie spürte Krallen am Oberarm.
    Sie fuhr zusammen, rollte sich ein und erkannte, dass sie gegen den Losverkäufer im Grizzlykostüm gestoßen war.
    »Hey, hey, hey«, sagte der. »Nicht so ungestüm, junge Dame.«
    Aus seinem Loseimer waren ein paar Papiere auf den Boden gefallen. Johanna bückte sich sofort, um ihm beim Aufheben zu helfen.
    »Soll ich dir den Hauptgewinn geben?«, fragte er.
    Sie hatte im Moment überhaupt keinen Kopf für solche Scherze, war gleichzeitig aber froh, sich über etwas anderes als den Horror, der hier stattfand, unterhalten zu können.
    »Ist es nicht einfach Zufall? Sag bloß, du weißt, welches Los gewinnt und welches nicht?«
    Unter seiner Maske konnte sie keine Gefühlsregung erkennen, aber der Grizzly zuckte sehr menschlich mit den Schultern und flüsterte: »Stell dir mal vor, welches Risiko das wäre. Der Hauptgewinn wird vielleicht in den ersten zehn Minuten gezogen, und was dann? Soll ich danach überall herumrennen und einen Hauptgewinn ausrufen, der schon vergeben ist?«
    »Das sagst du jetzt nur so zum Spaß, oder?«
    »Glaub ja nicht, dass ich das jedem erzähle. Ich verkaufe den Hauptgewinn auch nicht. Aber manchmal verschenke ich ihn. Zum Beispiel an eine schöne junge Frau.«
    »Offen gestanden bin ich noch nie von einem Grizzly angebaggert worden«, sagte sie. »Ziemlich originelle Tour. Bist du manchmal damit auch erfolgreich?«
    Dann lief sie zu den Polizisten, die auf den Platz kamen. Die Nähe zu den Uniformierten tat ihr gut.

19
    Kommissar Büscher hustete und sah Pit Seidel an, als könne er mit seinem Röntgenblick tief in dessen Seele gucken und darin lesen wie in einem Kriminalroman.
    Pit fragte sich, ob der Kommissar das machte, um vor seiner Kollegin und der Ärztin gut dazustehen. Oder wollte er ihn damit beeindrucken?
    Pit hatte den Kopf verbunden und Tampons in der Nase, deswegen erkannte er seine eigene Stimme nicht. Es ging ihm aber ziemlich gut hier im Klinikum Bremerhaven-Reinkenheide.
    Die Ärztin, Frau Dr. Juliane Stindl, die durch die Gänge schwebte, als sei sie kein Mensch, sondern ein von Gott auf die Erde gesandter Engel, der gekommen ist, um den Menschen die Schmerzen zu nehmen, hatte es auch bei ihm geschafft. Er konnte zwar noch nicht lachen, aber ihm auch tat nichts mehr weh.
    »Schmerzen«, sagte sie, »muss man heutzutage nicht mehr erleiden. Das ist eine veraltete Philosophie. Wenn die Menschen Schmerzen haben, verkrampfen sie sich nur, deswegen geben wir ihnen ausreichend Medikamente. Die Gefahr einer Abhängigkeit ist nicht groß, wenn man das alles nicht zu lange und nur unter ärztlicher Aufsicht nimmt.«
    Sie hatte darauf bestanden, bei dem Gespräch anwesend zu sein, was Kommissar Büscher überhaupt nicht passte. Aber Frau Dr. Stindl hatte ihm unmissverständlich klargemacht, wer hier der Chef im Ring war, und Kommissarin Schiller hatte sich sofort einsichtig gezeigt und versuchte, zwischen den beiden zu vermitteln.
    Pit selbst war es egal. Er fühlte sich merkwürdig leicht, fröhlich. Ja, so seltsam sich das anhörte, er war lange nicht mehr so gut drauf gewesen.
    Er war plötzlich so wichtig, im Mittelpunkt des Geschehens. Er bekam Aufmerksamkeit, und man ging äußerst pfleglich mit ihm um.
    »Sagen Ihnen die Namen Ken und Boris Hauser etwas?«
    Normalerweise hätte er jetzt den Kopf geschüttelt, aber das tat Pit nicht. Er blieb ganz aufrecht im Bett sitzen und bewegte seinen Kopf so wenig wie möglich. Stattdessen benutzte er seine Hände. Er winkte ab.
    »Nie gehört, die Namen. War es einer von den beiden?«
    »Wohl kaum. Aber die beiden sind auch gestern Nacht attackiert worden, und zwar auf ähnliche Weise wie Sie. Zumindest einer von ihnen. Man hat ihm einen Müllsack über den Kopf gezogen und dann …« Büscher deutete einen beidhändigen Hieb mit dem Baseballschläger an.
    »Wie haben Sie«, fragte Kommissarin Schiller, »denn den Abend verbracht?«
    »Es kann sein, dass er Gedächtnislücken hat«, warf Frau Dr. Stindl ein.
    »Nein, ich erinnere mich sehr gut«, sagte Pit. »Ich war auf der Kirmes. Also, beim Freimarkt, da hat doch dieser Looping eröffnet. Ich wollte eigentlich nur eine Bratwurst oder ein

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