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Neongrüne Angst (German Edition)

Neongrüne Angst (German Edition)

Titel: Neongrüne Angst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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gehen? Halten Sie mich für eine Prostituierte?«
    »Nein, wie kommst du denn darauf? Es laufen doch ständig nachts junge Mädchen mit Sonnenbrille hier rum, die unterm Mantel nicht mehr anhaben als ihre Dessous, die sie aller Welt zeigen wollen. Bei manchen Menschen ist so was eine krankhafte Neigung, da nennt man das Exhibitionismus. Aber ich glaube, um so einen Fall handelt es sich hier nicht. Du bist auf der Suche nach einem Freier, richtig?«
    »Das bin ich nicht!«
    »Nein? Was tust du dann hier? Und jetzt zeig mir deinen Ausweis. Oder muss ich dich mit aufs Revier nehmen, um deine Personalien festzustellen?«
    Sie fragte sich jetzt, was schlimmer war: ihm die Wahrheit zu erzählen, die er ihr garantiert sowieso nicht glauben würde, oder von ihm als minderjährige Prostituierte mitgenommen zu werden.
    »Wissen deine Eltern, was du hier tust?«
    »Ich geh hier spazieren. Ich denke über einen Schulaufsatz nach, den wir schreiben sollen.«
    So unverschämt, wie er sie anlächelte, glaubte er ihr kein Wort.
    Hinter ihnen, aus Richtung Kirche, kam Lärm. Dort schrien sich Leute an.
    Johanna wusste sofort, dass es sich um die beiden Penner handeln musste, die offensichtlich in Streit geraten waren.
    Jetzt kam auch der zweite Polizist aus dem Wagen.
    »Bitte, Herr Wachtmeister«, sagte Johanna, »machen Sie kein Drama daraus. Ja, ich habe unter dem Mantel nur meine Unterwäsche an. Sehen Sie, hier in der Tüte habe ich den Rest.« Sie zeigte sie vor. »Ich war bei meinem Freund zu Besuch. Wir haben uns gestritten, und ich bin dann runtergerannt, so, wie ich eben jetzt aussehe.«
    Seine Augen wurden zu Schlitzen. Er versuchte abzuschätzen, ob sie ihm die Wahrheit sagte oder nicht. Er war kurz davor, ihr auf den Leim zu gehen.
    Dann hakte er nach: »Und wieso reißt du dann hier den Mantel auf?«
    »Überlegen Sie doch mal. Hier war niemand, dem ich mich hätte zur Schau stellen können. Dass Sie da vorne mit Ihrem Kollegen im Polizeiwagen saßen, habe ich nicht gesehen, sonst hätte ich das ja wohl kaum gemacht. Und außer Ihnen ist niemand hier. Mir war heiß. Ich habe mir Luft zugefächelt. Ich bin gerannt. Bitte! Es ist alles schon schlimm genug. Ich habe mit meinem Freund Schluss gemacht und …«
    Er trat von einem Fuß auf den anderen. Sie tat ihm leid. Ihre Aussage konnte durchaus richtig sein. Hier war tatsächlich niemand, dem sie sich hätte zeigen können.
    Er kannte eine Menge jugendlicher Prostituierter. Sie sah anders aus. Sie war weniger heruntergekommen, weniger geschminkt. Hier passte einiges nicht zusammen.
    Der Lärm aus Richtung Gedächtniskirche wurde jetzt lauter. Sein Kollege zeigte dorthin.
    »Ich glaube, wir werden da vorne gebraucht.«
    »Ich komme gleich.«
    »Na klar. Du unterhältst dich hier nett mit der Kleinen, und ich renne alleine in die Prügelei da rein? Du spinnst wohl! Nicht noch einmal, mein Lieber.«
    Jetzt begannen die beiden, sich zu zanken, und beachteten Johanna kaum noch.
    »Du bist im Grunde immer ein Dachdecker geblieben!«
    »Ich hab wenigstens was Anständiges gelernt!«
    »Ha! Ein Schisser bist du! Du bist nicht nur zu feige, aufs Dach zu steigen, du gehst auch jedem Stress aus dem Weg. Das hier ist nichts für Pastorentöchter. Vielleicht hättest du besser zum Konditormeister umschulen sollen oder zum Frauenversteher!«
    »Ich hab jedenfalls keine Affäre mit der Frau eines Einbrecherkönigs angefangen.«
    »Boah, jetzt reicht’s!«
    Während die beiden aufeinander rumhackten, entfernte Johanna sich so unauffällig wie möglich. Erst nur ein paar Meter, doch dann begann sie zu rennen.
    Sie floh in die Karlsburgstraße, und bevor ihr der ehemalige Dachdecker folgen konnte, verschwand sie in einem Häusereingang. Sie packte ihre Tüte aus und schlüpfte, so schnell sie konnte, in die Anziehsachen. Dabei weinte sie, ohne es zu merken. Die Tränen tropften auf die Plastiktüte. Erst als sie die zusammenknüllte und einstecken wollte, spürte sie die Feuchtigkeit und wusste um ihre Tränen.

27
    Johanna ging einfach nicht ran. Hatte sie keine Möglichkeit, oder wollte sie ihn nicht sprechen? Hielt sie ihn bewusst aus der Sache heraus? Tat sie es, um ihn zu schützen?
    Leon fühlte sich völlig allein auf der Welt. Er sah zum Zoo am Meer hinüber, dann brüllte er so laut, dass er seine eigene Stimme nicht wiedererkannte: »Johannaaaaaaaaaaaaa!«
    Die drei Möwen, die keine zwanzig Meter von ihm entfernt um Pizzareste kämpften, die noch in einem Pappkarton

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