Neongrüne Angst (German Edition)
Piratenschiffe angegriffen und fast auf den Meeresboden gezogen. Heute gibt’s die Kinder davon in Knoblauchöl eingelegt. Eine Delikatesse, sag ich dir. Fressen wir die Dinger, bevor sie uns fressen …«
Er ist es, dachte sie. Er ist es, und jetzt will er mir sagen, was ich hier stehlen soll.
Reinhard Rehwinkel sah zu den beiden herüber. Sie konnte spüren, dass es ihm überhaupt nicht gefiel, mit welchem Typen sie sich da abgab. Einer wie Volker Krüger würde über kurz oder lang im Gefängnis landen. Erfahrene Menschen wie Reinhard ahnten so etwas sofort.
Es war ihr ihm gegenüber unangenehm, jetzt mit Volker hier herumzustehen.
»Und als dann die Tüte voll war, ist die Kleine einfach damit losgerannt, ohne zu bezahlen, hahaha, da hat der vielleicht geguckt! Und bis der hinter der Theke her war, war die schon längst verschwunden. Tolles Weib. Die hat mir gefallen!! Die kommt im Leben durch, um die muss man sich keine Sorgen machen. Warum hab ich nur immer so spießige Sahnetorten? Mit so einer scharfen Schnitte könnte ich die Welt aus den Angeln heben oder zumindest dieses Scheißkaff Bremerhaven. Wir wären wie Bonnie und Clyde … Ich bin auch hinter ihr hergerannt, aber nicht, um sie den Bullen auszuliefern.« Er lachte. »Höchstens, um die Beute mit ihr zu teilen. Aber ich hab sie auch verloren. Irgendwo da unten im La Plaza im Gewühl.«
Sagt der mir jetzt genau, was er von mir erwartet? Wie ich es machen soll?
Jetzt bemerkte auch Volker Krüger, dass Reinhard Rehwinkel sie beobachtete.
»Wieso glotzt der Typ da hinten so. Kennst du den? Hast du deinen Beschützer mitgebracht? Ist der scharf auf dich?«
Volker führte geradezu einen Tanz auf, während er sprach. Damit machte er auch die beiden jungen Frauen nervös.
»Ich kenne den gut. Der ist bei der Kriminalpolizei«, log Johanna, und augenblicklich veränderte Volker sich. Mehrfach wischte er sich mit beiden Händen durchs Gesicht und durch die Haare. Mit der Zunge leckte er über seine Lippen und schluckte trocken.
»Du verarschst mich doch …«
»Nee.«
Jetzt winkte sie Reinhard noch einmal demonstrativ. »Hallo, Reinhard!«
Und er winkte zurück. »Alles klar, Johanna?«
Sie nickte. »Ja, ja, alles klar.«
Volker richtete den Zeigefinger wie den Lauf einer Waffe auf sie und sagte: »Wir sehen uns.«
Es waren freundliche Worte, aber wie eine Drohung ausgesprochen.
Er hatte es plötzlich sehr eilig und verließ den Laden.
Johanna sah ihm nach. Und den hat mein Bruder zu seiner Party eingeladen …
Wie benommen ging sie zur Theke und suchte ein paar Antipasti aus. Eingelegte Tomaten, Peperonata, Bresaola, Oliven, Arancini, Balsamicozwiebeln. Die Scampi-Mango-Spießchen und der Krabbencocktail sahen auch lecker aus.
Wie eine Schlafwanderin kaufte sie ein und zahlte auch brav. Ihre Tüte war sehr voll und wog schwer an ihrer Hand.
Sie verließ Il Mercato, ohne sich von Reinhard Rehwinkel zu verabschieden. Es war vierzehn Uhr vierzig.
Sie hatte das Gefühl, dem Verehrer ein Schnippchen geschlagen zu haben. Gleichzeitig war sie sich jetzt sicher, ihn zu kennen. Es war Volker Krüger. Er hatte es nicht nur mit ihr gemacht, sondern auch noch mit einer anderen Frau, und die hatte hier dann die Waren gestohlen. Sie war sich sicher, dass er ihr diese Information durch seinen Drogenrausch hindurch gegeben hatte.
Aber schon als sie wieder draußen war und die Waren nach Hause trug, kamen ihr Zweifel. War dieser Drogenfreak überhaupt in der Lage, so perfide zu planen? Seine Stimme zu verändern und sich so durchzusetzen? Hatte er Helfer, oder war er nur ein Rädchen im Getriebe? Wurde er auch nur benutzt? Hatte ihn jemand geschickt, um sie zu beobachten und ihr zu erzählen, wie genau sie die Antipasti stehlen sollte?
Eigentlich hätte sie jetzt noch zur Weinhandlung Lorenzen gemusst, doch sie konnte nicht mehr. Sie schleppte sich nach Hause, als sei sie durch eine schwere Schussverletzung geschwächt und würde Blut verlieren. Ja, genau so fühlte sie sich.
Sie packte die Tüten nicht aus. Sie ließ sie hinter der Eingangstür neben dem Garderobenständer fallen, ging in ihr Zimmer und kippte aufs Bett.
Sätze ihres Verehrers hallten durch ihren Kopf wie ein Echo in den Alpen:
Du bist noch lange nicht so weit, dass wir uns in die Augen schauen können.
Dazu musst du erst all diesen Ballast loswerden und ganz frei werden für mich.
Du musst mich nicht lieben, Josy, es reicht mir, wenn du Angst vor mir hast.
Ich verehre dich. Du
Weitere Kostenlose Bücher