Neongrüne Angst (German Edition)
dir verlangt, die Waren einzuklaufen? Zwischen einkaufen und einklaufen ist ein feiner Unterschied.«
»Ja, dazwischen liegt die Frage, ob man ein ehrlicher Mensch ist oder nicht.«
Er lachte. »Nein. Ob man was erleben will oder nicht. Die großen Abenteurer haben keine Einkaufswagen durch die Supermärkte geschoben. Kannst du dir James Bond im Aldi an der Kasse vorstellen?«
Er schien fröhlich zu sein. Seine Stimme hatte zwar diesen spöttischen Unterton, war aber unaggressiv.
Sie stand auf und ging auf und ab.
»Ich bin nicht James Bond. Ich heiße Johanna Fischer.«
Seine Stimme wurde ernster. »Ja, liebe Johanna, dann möchte ich dich daran erinnern, dass du mir noch etwas schuldig bist. Heute Abend steigt die Fete. Du wolltest doch noch Wein besorgen.«
Johanna schluckte trocken. Ihr Gehirn raste auf Hochtouren. Sie hatte viel Geld ausgegeben und besaß nur noch drei Euro einundsiebzig. Der Wein war wesentlich teurer.
Sollte sie es ihm sagen? Würde sie damit seinen Spaß an der Sache noch steigern?
Sie tat es: »Tut mir leid, ich bin blank. Ich hab kein Geld mehr. Such dir eine andere.«
»Ich werde mir keine andere suchen, und du besorgst den Wein. Es hat ja niemand von dir verlangt, dass du für ihn bezahlen sollst. Im Gegenteil. Ich mag es nicht, wenn Frauen mit Geld so verschwenderisch umgehen.«
»Ich erkenne deine Stimme, Tobias. Du musst dich nicht länger anstrengen. Ich durchblick das längst. Ich bin nicht so doof, wie ihr denkt. Du und Jessy und Volker, ihr macht das gemeinsam. Du rufst mich an, die beobachten mich, ob ich auch blöd genug bin zu tun, was du von mir verlangst. Ihr habt nie irgendetwas Schlimmes angerichtet, dazu seid ihr viel zu feige.«
Sie atmete tief aus und war froh, es gesagt zu haben. Sie bekam immer noch gut Luft. Sie spürte ihre Füße auf dem Boden, trat kraftvoll auf und fühlte sich nicht mehr wehrlos.
»Ach ja?«, sagte er spitz. »Dann hast du von der türkischen Familie in der Lessingstraße noch gar nichts gehört, was? Sie verdächtigen den Vater, die stumpfsinnigen Jungs von der Trachtengruppe. Aber der war’s nicht. Ich musste ja irgendwohin mit meinem Frust. Ich ertrage es nicht, wenn du mich so mies behandelst.«
Er sprach sich in rauschhafte Wut hinein. Seine Stimme wurde schrill. »Das auf der Bürgermeister-Smidt-Straße war eine Schmierennummer von dir. Und statt um drei Uhr zu stehlen, kaufst du um zwei ein. Du wolltest mich belügen und betrügen. Ich werde noch ganz andere Dinge machen, aber ich glaube, ich muss damit einfach näher an dich heran. Was kümmern dich so eine türkische Familie oder zwei Aufpasser am Looping? Das ist doch nur fahrendes Volk. Oder irgendwelche Autofahrer, die nachts nicht früh genug bremsen? Beim nächsten Mal, das verspreche ich dir, hole ich mir jemanden aus deiner Umgebung. Ich werde alles töten und vernichten, was du liebst. Wann hast du eigentlich deine Omi im Altersheim zum letzten Mal besucht?«
Johanna wurde schlecht. Mit dem Telefon in der Hand rannte sie raus zur Toilette und übergab sich.
Als sie die Spülung betätigte und sich den Mund abwischte, hörte sie, dass Ben sich in seinem Zimmer mit Ballerspielen vergnügte.
51
Ben hatte den Einkauf seiner Schwester inzwischen entdeckt. Es roch einfach zu gut und verführerisch.
Ben probierte die Knoblaucholiven.
»Klasse, dass du für uns einkaufen warst!«, rief er mit vollem Mund.
Fast panisch stürmte Johanna in den Flur. »Lass die Sachen in Ruhe! Das ist für die Party!«
Ben lachte und schüttelte den Kopf über seine Schwester.
»Das ist hier kein Preisbacken, kein Welche-Hausfrau-macht-die-schönsten-Häppchen.«
Sie riss ihm die Oliven aus der Hand. Dabei schwappte ölige Flüssigkeit über den Rand der Packung, und eine Olive kullerte über den Boden.
»Du kannst die Sachen doch nicht essen, bevor die Fete losgeht!«
»Erstens ist das nicht deine Party, sondern meine, Schwesterherz, und zweitens hab ich nicht so bescheuerte Freunde wie du.« Großspurig fuhr er fort: »Meine Gäste bringen einfach etwas mit, verstehst du? Jeder trägt einen kleinen Teil bei, und damit ist für alle gesorgt. Die erwarten hier kein Catering einer Spezialitätenfirma. Wolltest du deshalb wissen, wer alles kommt? Willst du dir einen von den Typen krallen? Meinst du, die fahren auf solche Liebe-geht-durch-den-Magen-Hausfrauennummern ab?«
»Du bist sooo ein Idiot!«, zischte Johanna, nahm die Einkaufstüte und brachte sie in die Küche. Sie
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