Neongrüne Angst (German Edition)
Party freundlich zu allen Gästen sein. Ich will dich lächeln sehen, meine Schöne. Bediene die Gäste, lies ihnen die Wünsche von den Augen ab. Immerhin könnte es sein, dass du mich bedienst.«
»Du meinst, ich soll da die Kellnerin spielen?«
»Primitiv ausgedrückt, könnte man es so nennen. Du schaust halt nach, ob sich alle wohl fühlen, ob jeder noch etwas im Glas hat …«
»Das kannst du nicht von mir verlangen!«
»Oh doch, das kann ich.«
Sie japste nach Luft.
»Ich werde aus dir noch eine Partylöwin machen, Josy. Das beliebteste Mädchen der Schule. Wart’s nur ab. Mit deinem bescheuerten Verhalten hast du dich überall rausgekickt. Aber das lässt sich ändern.«
Er lachte. »Und kümmere dich nicht den ganzen Abend nur um Leon. Eine Gastgeberin hat allen gegenüber Pflichten. Sei aufmerksam! Wenn ein Glas leer ist, gieß es voll. Wenn jemand seinen Blick schweifen lässt, weil er etwas sucht, frag ihn, was er haben möchte. Sei nett. Sei hilfsbereit. Werde, was du eigentlich immer sein wolltest …«
»Was denn? Deine Sklavin?«
»Nein. Ein netter, freundlicher, aufgeschlossener Mensch, der nicht nur sich selbst sieht, sondern auch sein Gegenüber.«
»Ist das hier so eine Art pädagogische Maßnahme?«, fragte sie bissig, aber da hatte der Verehrer das Gespräch schon weggeklickt.
Sie überlegte einen kurzen Moment, dann wollte sie aufstehen und zum Haus zurücklaufen, doch ihre Knie zitterten zu sehr. Sie musste sich noch einmal setzen.
Sie rang nach Luft. Ihre Lunge pfiff wie ein zerschossener, nasser Stofffetzen im Wind.
56
Als Leon den Fiat vor dem Haus parkte, kam gerade Stefan um die Ecke, den alle für schwul hielten, weil er noch nie eine Freundin gehabt hatte, und der inzwischen selbst nicht mehr so genau wusste, ob er eigentlich auf Jungs stand oder auf Mädchen oder ob er einfach nur schüchtern und besonders scheu war.
Die Freude, eingeladen zu sein, hatte sehr schnell den Zweifeln Platz gemacht und der Angst, sich jetzt völlig zu blamieren. Zuerst wollte er mit einem Blumenstrauß kommen, dann doch lieber mit einer Flasche Whisky und einer Stange Zigaretten. Weil er immer dunkle Farben anhatte, kursierte über ihn der Witz, Stefan liebt alle Farben, Hauptsache schwarz.
Er nickte Leon freundlich zu. Stefan versuchte jedes Mal, in den Augen der anderen Menschen zu lesen, was sie von ihm hielten. Von Leon hatte er sich während seiner Schulzeit immer nur ignoriert gefühlt, doch diesmal musterte Leon ihn so genau, als ob er ihn röntgen wollte.
Stefan wurde schon nervös. »Ist was? Hab ich was an mir?«
Er sah an sich runter. Er hatte vorhin noch ein paar Pommes mit Mayo gegessen, weil er befürchtete, gleich einen Drink angeboten zu bekommen, und er vertrug Alkohol nicht gut. Auf nüchternen Magen schon mal gar nicht. Jetzt hatte er Angst, sich mit Mayonnaise beschlabbert zu haben.
Leons Blick hatte etwas Stechendes. Stefan grüßte freundlich. Leon erwiderte den Gruß nicht wirklich, sondern nickte nur kurz.
Diesmal öffnete nicht Ben, sondern Jessy.
»Na, wie sehe ich aus?«, fragte sie als Erstes, und Stefan überschüttete sie mit Bewunderungen.
Ben zeigte sich wenig erfreut über Leons Anwesenheit, spannte ihn aber gleich für seine Arbeiten ein.
»Ich dachte, wir räumen das Wohnzimmer komplett aus, damit wir Platz zum Abdancen haben. Da kommt nur die Anlage rein. Der Volker macht den DJ.«
»Hast du den Idioten auch eingeladen?«
»Fang du nicht auch noch an! Kennst du einen, der ’ne bessere Mucke draufhat?«
»Das ist doch nur Kiffermusik.«
»Du hast doch keine Ahnung«, konterte Ben. »Wer kifft denn heute noch? Das sind doch voll die Achtziger.«
In Leon erhärtete sich der Verdacht, dass Volker der Übeltäter war. Er konnte sich im Moment nicht vorstellen, wie er ihm unter die Augen treten sollte, ohne sofort auf ihn loszugehen.
Gleichzeitig wusste Leon, dass er jetzt keine Chance mehr hatte, rechtzeitig zum Termin mit Lars Schafft zu kommen. Er wog ab, was dafürsprach, Schafft anzurufen, um mit ihm zu sprechen, oder wenigstens Ralf Freitag und ihn zu bitten, einen anderen Journalisten zu dem Termin zu schicken. In beiden Fällen sah Leon seine Felle davonschwimmen.
Verflucht, dachte er, wenn ihr wüsstet, wie wichtig dieser Termin für mich ist, den ich hier gerade sausenlasse. Warum tue ich das eigentlich alles?
Er hatte nur eine Antwort parat: Er liebte Johanna.
Es passte Tobias gar nicht, dass er hier mit anfassen sollte. Gemeinsam
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