Neonregen (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Holzbank unter den Palmen. Dann las ich eine Weile in meiner Taschenbuchausgabe von Eine Reise nach Indien, sah ein paar südamerikanischen Teenagern zu, die im Sand Fußball spielten, und ging schließlich auf die Mole hinaus, wo ich leere Austernschalen über die Wasserfläche warf. Der Wind hatte weiter aufgefrischt und blies mir beißenden Sand ins Gesicht, und als die Sonne in einer riesigen Flamme am westlichen Horizont zu versinken schien, konnte ich dünne weiße Blitze in der langen Reihe schwarzer Wolken sehen, die am südlichen Horizont dicht über dem Wasser schwebten. Nachdem der letzte Schimmer der Sonne am Himmel verblaßt war und die Neonlichter der Karussells und Bierlokale längs des Strandes angingen, lief ich wieder zu meinem Wagen und fuhr noch einmal zum Restaurant zurück.
Zwei schwarze Kids und ein etwa dreißig Jahre alter weißer Mann waren damit beschäftigt, die Wagen, die unter der Terrasse am Eingang standen, hinter das Haus zu fahren und dort zu parken. Der weiße Mann hatte kurzgeschorene braune Haare und lauter kleine Sommersprossen im Gesicht, die aussahen, als seien sie mit dem Pinsel aufgetragen. Ich fuhr zum Eingang vor, wo einer der schwarzen Kids meinen Wagen übernahm. Dann ging ich hinein und aß ein Club-Sandwich für fünf Dollar, das ich eigentlich gar nicht wollte. Als ich das Lokal wieder verließ,kam der weiße Mann auf mich zu und fragte nach meinem Parkschein.
»Ich kann mir den Wagen selber holen. Sie brauchen mir bloß zu zeigen, wo er steht«, sagte ich.
Er trat einen Schritt beiseite, um aus dem Lichtschein der Terrasse zu kommen, und zeigte auf den Parkplatz.
»Vorletzte Reihe«, sagte er.
»Und wo da?«
Er trat noch ein paar Schritte weiter ins Dunkel und deutete noch einmal mit der Hand.
»Fast am Ende der Reihe«, sagte er.
»Meine Freundin hat mir gesagt, Sie könnten mir ’n bißchen Schnupfpulver verkaufen«, sagte ich.
»Was soll ich verkaufen?« Zum erstenmal betrachtete er mich richtig von oben bis unten. Im Neonlicht des Schnapsladens nebenan sahen seine Lippen violett aus.
»Ein bißchen Puder für die Nase, was gegen die Schleimhäute.«
»Sie müssen mich verwechseln, Freundchen.«
»Seh ich vielleicht wie ’n Bulle oder so aus?«
»Wollen Sie, daß ich Ihnen jetzt Ihren Wagen hole, Sir?«
»Ich hab hier hundert Dollar für Sie. Wir können uns ja woanders treffen.«
»Vielleicht sollten Sie lieber mit dem Manager sprechen. Ich bin bloß für den Parkservice zuständig. Sie suchen offensichtlich jemand anders.«
»Na, vielleicht hat sie mir einfach ’n falsches Lokal genannt. Nichts für ungut«, sagte ich. Dann ging ich nach hinten auf den Parkplatz, stieg in meinen Wagen und fuhr auf den Boulevard hinaus. Die Palmen entlang der Esplanade bogen sich im Wind.
Ich fuhr durch ein abseits vom Strand gelegenes Wohngebiet, schlug einen Bogen und parkte in einer dunklen Straße einen Block landeinwärts vom Restaurant. Ich nahm mein aus dem Zweiten Weltkrieg stammendes japanisches Fernglas aus dem Handschuhfach und richtete es auf die hell erleuchtete Veranda, wo der Mann mit den Sommersprossen die Autos der Gäste parkte.
Während der nächsten drei Stunden sah ich, wie er zweimal anden Kofferraum seines eigenen Wagens ging, ehe er einem der Gäste wieder den Wagen vor den Eingang fuhr. Um Mitternacht schloß das Restaurant, und ich folgte ihm quer durch die Stadt zu einem Viertel mit ungepflasterten Straßen und bretterverkleideten Häusern, offenen Entwässerungsgräben und heruntergekommenen Vorgärten, die mit rostigen Autoteilen und alten Waschmaschinen übersät waren.
Die meisten Häuser an der Straße waren dunkel. Ich ließ meinen Wagen einen Block weiter stehen und ging dann zu der sandigen Garageneinfahrt, die zur erleuchteten Tür eines kastenförmigen, von ungewässerten und vertrockneten Hecken umgebenen Holzhauses führte. Durch den Fliegendraht konnte ich sehen, wie er im Unterhemd und mit einer Bierdose in der Hand die einzelnen Kanäle seines Fernsehgerätes ein- und ausschaltete. Seine Schultern waren so weiß wie der Bauch einer Kröte und mit den gleichen braunen Sommersprossen übersät, die auch sein Gesicht bedeckten. Er setzte sich auf einen gepolsterten Stuhl, den Luftstrom des im Fenster angebrachten Ventilators im Gesicht. Dann streute er Salz auf den Rand der Bierdose und trank langsam daraus, während er auf den Fernseher starrte. Die ersten Regentropfen klatschten mit einem trockenen Geräusch auf das
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