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Neonregen (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Neonregen (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Neonregen (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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durch ein unbebautes, mit Schutt übersätes Grundstück von den anderen Häusern getrennt war.
    Beide Hälften des Hauses waren dunkel, aber ich sah, daß die Auffahrt auf der weiter entfernten Straße leer war und ein paar alte, vermoderte Zeitungen auf dem Rasen lagen. Ich nähertemich der zweiten Wohnung, die mir am nächsten war, durchtrennte mit meinem Puma-Messer die Telefonleitung dicht am Schaltkasten und schraubte die Glühbirne der Verandabeleuchtung heraus. Der Regen prasselte auf meinen Hut und Mantel, und das Gewehr schlug mir wie ein Holzbalken gegen Hüfte und Knie. Ich zog mir den Hut tief ins Gesicht, klemmte mir einen Bleistift in den Mund und hämmerte mit der Faust ein paarmal an die Tür, ehe ich wieder ein paar Schritte in den Regen zurücktrat.
    Hinten im Haus ging Licht an, und einen Augenblick später sah ich, wie sich der Vorhang neben der verglasten Tür bewegte.
    »Wer ist da?« rief eine Stimme.
    »Ich bin von der Gas- und Elektrizitätsgesellschaft. Wir haben eine geborstene Hauptleitung. Machen Sie bitte Ihre Zündflamme aus.«
    »Was?« fragte die unsichtbare Stimme hinter der Tür.
    »Die Hauptleitung ist gebrochen, und wir können sie von der Pumpstation aus nicht abstellen. Wenn Sie Gas riechen, rufen Sie beim Hauptquartier der Nationalgarde an. Ach, und zünden Sie keine Streichhölzer an«, rief ich und ging dann in die Dunkelheit zurück, als ob ich zum nächsten Haus wollte.
    Statt dessen ging ich um einen Haufen von einer Planierraupe zusammengeschobener Spanplatten auf dem leeren Nachbargrundstück herum, schlug einen Bogen durch ein kleines Fichtenwäldchen längs eines ausgetrockneten Baches und landete schließlich hinter dem Zweifamilienhaus. Ich ging davon aus, daß Murphy eine Weile am Fenster gestanden hatte, bis er den Versuch aufgab, mich in der Dunkelheit und dem Regen auszumachen, und dann ans Telefon gegangen war. Ich hatte recht. Als ich mich leise unter das Fenster schob, hörte ich, wie er die Wählscheibe drehte, dann eine Pause, und dann wurde der Hörer wieder auf die Gabel gelegt. Ich duckte mich und ging in gebückter Haltung schnell an der Seitenwand des Hauses entlang zur vorderen Veranda, wobei ich mir Mühe gab, damit die Mündung des Gewehrs nicht in den Schlamm stieß. An der Ecke hielt ich inne und lauschte. Ich hörte, wie er die Kette vorlegte und die Tür dann vorsichtig öffnete.
    Komm schon, zeig, daß du cojones besitzt, dachte ich. Große Jungs wie du tragen sie doch außerhalb der Hose. Du hast dochmit den Legionären zusammen den Vietcong die Hölle heiß gemacht, warst in einem der Landungsboote in der Schweinebucht, hast die Körperteile von Sandinista-Bauern einzeln an die Bäume gehängt wie Christbaumschmuck. Wozu ist das Leben da, wenn man’s nicht riskiert?
    Dann hörte ich, wie die Kette zurückgeschoben wurde und gegen die Tür baumelte. Ich hob das Gewehr und drückte mich eng an die verputzte Hauswand. Er machte ein paar Schritte in den schräg fallenden Regen hinaus, seine Schlafanzugjacke hing offen über dem Bierbauch. In der einen Hand hielt er eine Taschenlampe, in der anderen einen blau schimmernden 38er mit etwa fünf Zentimeter langem Lauf.
    Ich schob den Sicherungsbügel zurück und trat um die Ecke, den Lauf der Schrotflinte mit einer schnellen Bewegung direkt auf die Seite seines Kopfes gerichtet.
    »Weg mit der Waffe! Denk gar nicht erst nach! Weg damit!« sagte ich.
    Er stand wie angewurzelt da. Die Lichtkegel seiner Taschenlampe beleuchtete sein Gesicht, das aussah, als sei es aus Wachs. Aber seine Augen verrieten mir, daß sein Verstand arbeitete.
    »Ich werde dich in Stücke schießen, Murphy.«
    »Ich nehme an, das würden Sie wirklich tun, Lieutenant«, antwortete er. Dann beugte er die Knie, beinahe als ob er Kniebeugen machen wolle, und legte den Revolver auf den Rand der Veranda.
    Ich schob ihn ins Haus, schaltete das Licht ein und trat mit einem Fuß die Tür hinter mir zu.
    »Mit dem Gesicht nach unten auf den Fußboden, die Arme ausgebreitet«, befahl ich.
    »Wir haben dieses Straßentheater doch nicht nötig, oder?« Er betrachtete mein Gesicht noch einmal bei Licht. »Schon gut, ich hab nichts gesagt. Aber es ist wirklich niemand hier außer mir. Sieht fast so aus, als hätten Sie heute gewonnen.«
    Seine Wohnung sah innen aus wie ein Motelzimmer. In einem der Fenster brummte eine Klimaanlage, aus der Wasser auf den zottigen Teppich tropfte. Die Tapete war in einem blassen Grün überstrichen worden.

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