Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Neonregen (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Neonregen (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Neonregen (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
Vom Netzwerk:
vor allem um dich. Glaubst du vielleicht, daß ich mein eigenes Kind im Sattel eines Pferdes abgetrieben habe?«
    »Ich glaub gar nichts.«
    »O doch, das tust du. Ich seh’s doch an deinem Gesicht. Du fragst dich: Ist sie wirklich der Mensch, für den ich sie gehalten habe? War sie ein williges Bumsobjekt für diese ausgeflippten Typen drüben in Kansas?«
    »Ich habe nicht den geringsten Zweifel dran, wer oder was du bist. Annie, ich kann nur sagen, du bist alles für mich.«
    Sie legte ihre Gabel auf den Teller und schaute hinaus auf die abendlichen Schatten im Garten.
    »Ich habe das Gefühl, dies ist etwas, was ich nicht ertragen kann.«
    »Da gibt’s nichts zu ertragen. Es ist längst vorbei. Mir ging’s nur drum, daß ich rausfinden mußte, ob er tatsächlich Verbindungen zur Regierung hatte. Die Leute vom Schatzamt sagten mir, es wäre nicht der Fall.«
    Doch sie hörte mir nicht zu.
    Sie starrte auf ihren Teller, dann hob sie den Kopf und sah mich wieder an. Ihre Augen waren feucht, und ihr Kinn war voll zitternder Grübchen.
    »Dave, ich habe wieder das gleiche Gefühl, das ich neulich an dem schrecklichen Abend hatte, als dieser Mann mich überall angefaßt hat.«
    »Deine Familie ist irgendwie in der Friedensbewegung engagiert, und das FBI hat wahrscheinlich einen Haufen Klatschgeschichten über jeden von euch gesammelt. Das hat überhaupt nichts zu bedeuten. Die haben Akten von allen möglichen Leuten, und in den meisten Fällen gibt’s dafür überhaupt keinen Grund. Die sind sogar Ernest Hemingway fünfundzwanzig Jahre lang auf Schritt und Tritt gefolgt, selbst dann noch, als er kurz vor seinem Tod eine Elektroschockbehandlung durchmachte. Die Namen von Joe Namath und John Wayne standen auf einer Liste der Feinde des Weißen Hauses.« Ich berührte ihren Arm und lächelte sie an. »Ausgerechnet Duke«, sagte ich. »Wer war wohl amerikanischer als der Duke?«
    »Ich war damals siebzehn. Er war ein mennonitischer Studentaus Nebraska und arbeitete den Sommer über bei einem Hausrenovierungsprogramm in Wichita.«
    »Du brauchst mir das nicht zu erzählen.«
    »Nein, verdammt noch mal, ich will nicht die Lügen dieser Leute in unserem Leben haben. Ich hab ihm damals nichts von dem Baby gesagt. Er war viel zu jung, um die Rolle eines Ehemanns zu übernehmen. Er ging zurück nach Nebraska aufs College und hat nie was davon erfahren. Als ich im siebten Monat schwanger war, gab’s bei uns auf der Farm ein schreckliches Gewitter. Meine Eltern waren in die Stadt gefahren, und mein Großvater war draußen auf dem Feld und eggte das Land neben dem Bewässerungsgraben. Er war ein Mennonit der alten Sorte und benutzte zum Eggen ein Maultiergespann statt eines Traktors. Er hätte nie seine Arbeit wegen des Wetters abgebrochen, es sei denn, es hätte ihn vom Feld gespült. Ich sah ihm von der vorderen Veranda aus zu, und ich konnte sehen, wie der Wind den Staub rings um ihn herumwirbelte und die Blitze überall am Horizont aufzuckten. Der Himmel war blaugrau, wie er in Kansas immer aussieht, wenn plötzlich irgendwo in der Ferne die Tornados vom Boden aufsteigen. Dann schlug ein riesiger Blitz in den Seidenholzbaum direkt neben dem Bewässerungsgraben ein, und ich sah meinen Großvater samt Gespann und Egge die Böschung hinunterstürzen.
    Ich rannte im strömenden Regen über das Feld. Er lag unter der Egge, mit dem Gesicht nach unten im Schlamm. Ich konnte ihn nicht herausziehen und hatte Angst, er würde ersticken. Ich wischte ihm die Erde aus Mund und Nase und legte ihm mein Hemd unter den Kopf. Dann befreite ich eines der Maultiere aus dem verschlungenen Geschirr. Das Telefon in unserem Haus war tot, und ich mußte vier Meilen weit die Straße hinunter zum Nachbarhaus reiten, um Hilfe zu holen. Ich verlor das Baby in ihrem Vorgarten. Sie legten mich hinten auf ihren Pickup, der Gottseidank eine Plane hatte, und brachten mich ins Krankenhaus nach Wichita. Auf dem Weg dorthin wär ich fast verblutet.«
    »Du bist ein großartiges Mädchen, Annie.«
    »Warum hat dieser Mann diese Dinge erzählt?«
    »Er wollte mich verunsichern, mich ablenken, damit ich anetwas anderes denke. Er hat sich wahrscheinlich gedacht, daß er noch eine einzige Chance hat, und die wollte er nutzen.«
    »Ich habe Angst um dich.«
    »Brauchst du nicht. Vier von ihnen sind tot, und ich lauf noch munter rum. Als ich in Vietnam war, hab ich immer versucht, über alles nachzudenken und zu verstehen, bis mir dann eines Tages ein Freund sagte:

Weitere Kostenlose Bücher