Neonregen (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Springfields und 30-40er Kraigs in ihrem Körper nur wenig mehr Wirkung zu zeigen schienen als heiße Nadeln. Die neue 45er jedoch riß Wunden, die so groß waren wie Krocketkugeln.
In der Regel enthält jede Mythologie ein Körnchen Wahrheit, und bezüglich der 45er Automatik lautet die schlichte Wahrheit, daß es sich um eine absolut mörderische Waffe handelt. Ich hatte meine in Saigons Bring-Cash-Alley gekauft, draußen beim Flugplatz. Geladen hatte ich sie immer mit Stahlmantelpatronen, mit denen man einen Automotor durchlöchern, eine Mauer aus Schlackenstein in Schutt und Asche legen oder im Schnellfeuer selbst eine kugelsichere Weste in Stücke schießen konnte.
Die finsteren Gedanken, denen ich nachhing, beunruhigten mich. Meine Erfahrung als langjähriger Alkoholiker hatte mich gelehrt, meinem Unterbewußtsein nicht zu trauen, da es mich auf raffinierte Weise immer wieder in Situationen gebracht hatte, die für mich, für die Menschen um mich oder für alle Betroffenen oft genug katastrophale Folgen gehabt hatten. Andererseits wurde mir zu diesem Zeitpunkt auch klar, daß ich es hier mit Leuten zu tun hatte, die weit intelligenter und brutaler waren und weit bessere politische Beziehungen hatten als die psychotischen Verlierertypen, mit denen ich normalerweise konfrontiert wurde.
Wenn ich noch Zweifel hatte, was letztere Erkenntnis betraf, so wurden diese endgültig beseitigt, als ein grauer Dienstwagen der amerikanischen Regierung auf dem Dock neben mir parkte und ein rothaariger, sommersprossiger Marin in einem Leinenanzug ausstieg. Sein Alter mochte irgendwo zwischen fünfzehn und dreißig Jahren liegen, schätzte ich, während er die Gangway zu meinem Hausboot herunterkam.
Er ließ mich seinen Dienstausweis sehen und lächelte.
»Sam Fitzpatrick, US-Schatzamt«, stellte er sich vor. »Bereiten Sie sich auf einen Krieg vor?«
4
»Ich habe den Eindruck, Sie glauben mir nicht«, sagte er. »Trauen Sie mir etwa zu, daß ich nicht nur den Ausweis, sondern auch das Auto geklaut habe?« Er konnte nicht aufhören zu grinsen.
»Nein, nein, ich glaub Ihnen. Sie sehen bloß aus, als kämen Sie grade aus der Howdy-Doody-Show.«
»Nun, solche Komplimente höre ich öfter. Die Leute hier unten in New Orleans machen offenbar gern ein Späßchen. Ich habe gehört, daß Sie in letzter Zeit meinetwegen eine Menge Schwierigkeiten hatten.«
»Kann man wohl sagen.«
»Wollen Sie mir nicht einen Eistee anbieten?«
»Wenn Sie welchen möchten.«
»Nicht hier draußen. Sie sind zu heiß, Lieutenant. Ich würde beinahe sagen, Sie stehen schon in Flammen. Wir müssen Sie unbedingt aus dem Spiel nehmen, egal wie. Aber das wird nicht einfach sein, fürchte ich. Das gegnerische Team ist in gewisser Hinsicht unbelehrbar.«
»Wovon sprechen Sie überhaupt?«
»Die haben da so ein paar fixe Ideen. Irgendwas läuft nicht so richtig mit ihren Geschäften, und schon nehmen sie sich ’nen armen Schmock vor, der ihnen zufällig in die Quere gekommen ist. In der Regel nützt ihnen das auch nicht viel, aber die bilden sich das nun mal ein.«
»Und ich bin der Schmock?«
»Nein, Sie sind natürlich ein intelligenter Bursche und offenbar mit Eiern aus rostfreiem Stahl. Aber wir wollen nicht, daß Sie dabei draufgehen. Kommen Sie, fahren wir ein bißchen spazieren.«
»Ich geh heut abend mit einer Dame zum Pferderennen.«
»Ein andermal.«
»Nein, nicht ein andermal. Und hören Sie auf damit, hier Onkel Sam zu spielen, der sich in seiner Allwissenheit herabläßt und mit einem ahnungslosen kleinen Plattfuß spricht. Wenn irgendwodie Kacke am Dampfen ist, nehme ich an, daß es Ihre Kacke ist, und das bloß, weil ihr Jungs von der Regierung mal wieder was vermasselt habt.«
Er hörte auf zu grinsen und sah mich einen Augenblick lang nachdenklich an. Dann feuchtete er mit der Zunge seine Lippen an. Irgendwie wirkte er plötzlich sehr viel älter.
»Sie müssen schon ein bißchen Vertrauen in das haben, was ich Ihnen sage, Lieutenant«, sagte er. »Sie sind ein guter Mann. Sie haben viel Mut. Sie hatten noch nie Ärger mit dem Gesetz. Sie gehen jeden Sonntag zur Messe. Sie sind anständig zu den Menschen auf der Straße, und Sie haben eine Menge schwerer Jungs hinter Gitter gebracht. Wir wissen alles von Ihnen, weil wir nicht wollen, daß Ihnen etwas geschieht. Aber glauben Sie mir, es ist nicht sehr schlau, wenn wir beide uns hier draußen in aller Öffentlichkeit unterhalten.«
»Sie sagen immer ›wir‹ – wer ist damit
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