Neonregen (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
die alte Musikbox in Betrieb und drehten die Lautstärke voll auf.
Der Barkeeper war ein großer Bursche von ungefähr dreißig Jahren. Sein Schädel war oben völlig kahl und glänzend, und er hatte das Schläfenhaar mit viel Pomade nach hinten gekämmt. Er trug schwarze Hosen, ein weißes Hemd und eine schwarze Samtweste wie ein professioneller Barmann, aber seine muskulösen Arme, sein kräftiger Hals, der enorme Brustkorb und der Holzhammer auf dem Regal hinter ihm deuteten an, daß er noch andere Qualitäten hatte. Ich fragte ihn nach Gail Lopez.
»Erkennen Sie mich denn nich mehr, Lieutenant?« fragte er und lächelte.
Ich kniff die Augen zusammen und starrte ihn gegen das gleißende Licht auf der Bühne an.
»So vor fünf oder sechs Jahren, stimmt’s?« fragte ich. »Wenn ich mich recht erinnere, ging’s darum, daß Sie mit ’nem Lieferwagen der Picayune irgendwie einen der Betriebsräte von der Transportarbeitergewerkschaft überfahren hatten.«
»Is genau gesagt acht Jahre her, und außerdem hab ich nie Gelegenheit gehabt, meine Seite der Geschichte zu erzählen, Lieutenant. Aber das spielt jetzt keine Rolle mehr. Ich zieh’s vor, mir was Neues vorzunehmen, statt vor was Altem wegzulaufen. Verstehen Sie, was ich meine? Aber ich möcht Sie um ’nen kleinen Gefallen bitten. Mein Bewährungshelfer muß doch nich unbedingt von der Sache hier erfahren, oder? Er is ein netter Kerl und fängt sofort an, sich Sorgen zu machen, und er würd’s nich gern sehen, daß ich in ’nem Rattenloch wie dem hier arbeite, aber ein paar von den Leuten in der Gewerkschaft ham irgendwie was gegen mich und wollen mir meine Mitgliedskarte nich wiedergeben, und es gibt nich grade ’ne Menge Jobs, wo ich sechs Dollar pro Stunde plus Trinkgeld krieg. Zum Deibel, die Arbeit hier is menschenunwürdig. Ich muß mit mein Fingern die Kippen aus’m Pissoir holen und die Toiletten schrubben und jedesmal das ganze Zeug aufwischen, wenn einer von den Scheißern mir hier die Bude vollkotzt. Aber was soll’s. Was darf ich Ihnen geben, Lieutenant? ’türlich auf meine Rechnung.«
»Im Augenblick möchte ich nichts, vielen Dank. Was ist mit Gail Lopez?«
»Na ja, was soll ich Ihnen sagen. Die Mädchen ham alle ganz schön zu tun, verstehen Sie, was ich meine? Die Kundschaft hierbesteht bloß aus kleinen miesen Typen, Lieutenant. Schmalzlocken, Schläger, Gecken und Schwachköppe, die Spaß dran ham, wenn sie sich mit mir anlegen können, bis se kurz vor’m Abkippen sin, verstehen Sie, was ich meine? Da is’n Typ, der kommt jeden Abend rein und löst seine Demerol in ’nem Glas Wild Turkey auf, und wenn ich zu ihm sag: ›Schönes Wetter heute‹, oder: ›Hat ja ordentlich gegossen heut nachmittag‹ oder so, dann antwortet er bloß: ›Blabla‹. Wenn ich ihn frage, ob er noch ’nen Drink will, sagt er ebenfalls: ›Blabla‹. ›Wollen Sie noch ’n paar Erdnüsse ?‹ – ›Blabla.‹ – ›Wenn Sie sich über mich lustig machen wollen, sind Sie hier am falschen Ort!‹ – ›Blabla.‹«
»Hören Sie, Charlie, ich such ’nen Typen, der aussieht wie ’ne wandelnde Sommersprosse.«
»Ich hab ihn nich gesehen. Schaun Sie sich doch bloß um, Lieutenant. Einer wie der würd in diesem Laden auffallen wie ’n Scheißhaufen in der Eiskremfabrik. Aber Sie können se ja selber fragen. Sie muß so ungefähr in ’ner Stunde hier sein.«
Ich wartete geduldig zwei Shows lang, die darin bestanden, daß ein halbes Dutzend nackter Mädchen zu den Klängen einer Dreimannkapelle tanzte, die ihre Instrumente offenbar nach einer Schnarrtrommel gestimmt hatte. Die Mädchen trugen nur dünne Goldkettchen um Fußgelenke und Bauch, und ihre Gesichter leuchteten in einer Art innerem narzißtischen Vergnügen, das nichts mit der Realität um sie herum zu tun hatte. Sie wiegten sich hin und her und hoben die Arme über den Kopf, als würden sie im Wasser schwimmen, und hin und wieder trafen sich ihre Blicke und strahlten wie in heimlichem Einverständnis kurz auf.
Der Barmann war die ganze Zeit damit beschäftigt, gelangweilt seine Gläser in einem verzinkten Becken zu spülen, wobei ihm immer wieder Zigarettenasche ins Spülwasser fiel. Dann winkte ihm jemand aus dem Hinterzimmer, und er verschwand für ein paar Minuten vom Tresen. Als er zurückkam, hatte er einen unbehaglichen Gesichtsausdruck.
»Lieutenant, ich bin hier in ’ner etwas peinlichen Situation«, sagte er zu mir. »Der Manager, Mr. Rizzo, freut sich, daß Sie hier sind,
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