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Neonregen (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Neonregen (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Neonregen (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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fühlte ich mich so depressiv wie schon seit Jahren nicht mehr.
    Warum? Der Grund war einfach der, daß ich trinken wollte. Und es ging nicht etwa darum, mich langsam wieder daran zu gewöhnen, mit gelegentlichen Manhattans in einer vornehmen Bar mit Mahagonitäfelung und Messingläufen, mit rot gepolsterten Ledernischen und langen Reihen blankgeputzter Gläser vor einem endlos langen Spiegel. Mich verlangte nach einer richtigen Ladung. Was ich wollte, war Jack Daniel’s mit Faßbier, Wodka auf Eis, Jim Beam pur mit einem Glas Wasser dazu,scharfer Tequila, der einem den Atem nimmt und im eigenen Saft schmoren läßt. Und all das in einer heruntergekommenen Kneipe an der Decatur oder Magazine Street, wo ich mich einfach gehenlassen konnte und meine häßliche Visage im Spiegel nur eines dieser trunkenen Bilder war, wie der vom Neonlicht erhellte Regen, der an die Fenster schlug.
    Nach vier Jahren der Abstinenz wollte ich mal wieder meinen Kopf mit Spinnen und Würmern und Schlangen füllen, die sich an dem Teil von mir mästeten, den ich jeden Tag aufs Neue vergewaltigte. Ich sagte mir, daß der Tod von Julio Segura schuld daran war. Ich kam schließlich zu dem Ergebnis, daß die Versuchung, zu Alkohol und Selbstzerstörung zurückzukehren, vielleicht sogar ein Zeichen dafür war, daß mit meiner Menschlichkeit noch alles stimmte. An diesem Abend betete ich den Rosenkranz und fiel erst in Schlaf, als sich das erste graue Licht der Morgendämmerung am Himmel zeigte.
    Auch am folgenden Nachmittag mußte ich immer wieder an Sam Fitzpatrick denken. Ich rief das Büro für Alkohol, Tabak und Feuerwaffen an und erfuhr vom Wachhabenden, daß Fitzpatrick nicht im Hause war.
    »Mit wem spreche ich, bitte?« fragte er mich.
    Ich nannte meinen Namen und erklärte, wer ich war.
    »Rufen Sie von Ihrem Büro aus an?«
    Ich bejahte.
    »Gut, ich werde in zwei Minuten zurückrufen«, sagte er und hängte ein.
    Und richtig. Kaum eine Minute später läutete das Telefon. Die Leute von der Bundespolizei waren vorsichtig geworden.
    »Wir machen uns Sorgen um ihn. Er hat sich nicht bei uns gemeldet, und er ist auch nicht in seinem Motel«, sagte der Beamte. »Sind Sie der Mann, der Segura weggeputzt hat?«
    »Ja.«
    »Ein schwarzer Tag in Black Rock, was?« sagte er mit einem Lachen.
    »Haben bei Ihnen alle einen so ausgeprägten Sinn für Humor?« fragte ich zurück.
    »Wir haben einen Agenten, der nicht im Nest ist, Lieutenant. Haben Sie irgendwelche Informationen, die uns weiterhelfen?«
    »Er wollte ein mexikanisches Mädchen aufsuchen, eine Nackttänzerin, die draußen am Flughafen arbeitet. Sie hat ihm wohl erzählt, sie könnte ihn zu ein paar von Seguras Leuten führen.«
    »Darüber wissen wir schon Bescheid. Gibt’s sonst noch was?«
    »Das ist alles.«
    »Bleiben Sie in Verbindung. Kommen Sie doch einfach mal auf ’ne Tasse Kaffee vorbei. Wär gut, wenn wir zu Ihnen und Ihren Leuten besseren Kontakt hätten. Und noch was, Lieutenant. Agent Fitzpatrick hat die bedauerliche Angewohnheit, hin und wieder ein paar unserer Kompetenzen zu überschreiten. Das soll aber nicht bedeuten, daß lokale Behörden jetzt damit anfangen, ihrerseits in unsere Zuständigkeit einzudringen. Ich hoffe, Sie verstehen, was ich meine, oder?«
    Nach kurzem Schweigen wurde die Verbindung unterbrochen.
    Am späten Nachmittag stattete ich der Wohnung der kleinen Mexikanerin draußen in Metairie einen Besuch ab. Niemand war zu Hause, und die Hausverwalterin sagte mir, sie habe das Mädchen – ihr Name war Gail Lopez – und auch ihre Tochter schon ein paar Tage nicht mehr gesehen. Ich steckte ein kleines Stück durchsichtiges Klebeband zwischen die Unterkante der Tür und die Schwelle und fuhr dann in der einsetzenden Dämmerung zu dem Striplokal beim Flughafen.
    Dicht neben der Straße hoben die großen Düsenmaschinen von der Startbahn ab und donnerten im Tiefflug direkt über die Kneipe hinweg in den lavendelfarbenen Himmel. Das Gebäude bestand aus Betonsteinen, die man violett angemalt hatte. Die Tür war rot wie Nagellack, und im Inneren roch es nach Zigarettenrauch, klimatisiertem Dunst und Desinfektionsmitteln aus den Toiletten. Hinter der Bar gab es eine Art Bühne oder besser Laufsteg, auf dem ein Komiker mit einem Gesicht, das aussah wie vertrocknetes Pergament, seine leblose und langweilige Nummer abzog, ohne daß ihm auch nur einer der Gäste an der Bar oder an den Tischen zuhörte. Mitten in seiner Show setzten ein paar Rocker in der Ecke

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