Neonregen (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
genüg Thorazon gespritzt, um ’nen Dinosaurier zu betäuben.« Sein nasses graues Haar war immer noch unfrisiert. Er hatte sich an diesem Tag noch nicht rasiert, und zwischen den winzigen roten und blauen Venen seiner Wangen sprießten dunkle Bartstoppeln. Er biß ein Stück von seinem Hamburger ab und sah mich an, während er kaute. Seine haselnußbraunen Augen waren bar jeden Gefühls.
»Sie sind ein elender Abklatsch von einem Mann«, sagte ich.
»Warum sagen Sie das, Lieutenant? Gefällt’s Ihnen nicht, wie sich die Dinge entwickelt haben? Hat man Sie nicht gewarnt, sich an die Spielregeln zu halten? Waren die Leute vielleicht unfair zu Ihnen?«
»Es gehört schon ein besonders degenerierter Charakter dazu, einen wehrlosen Mann zu foltern.«
»Im Krieg müssen eben manche Leute leiden. Ihr Freund ist einer von diesen Leuten. Wahrscheinlich gefällt Ihnen diese Definition nicht besonders, aber bei Leuten Ihres Schlages ist das immer so.«
»Sie sind einfach nur ein kleiner Schläger, Murphy. Sie sind Ihr Lebtag noch nicht im Krieg gewesen. Sie gehören zu denen, die andere Menschen aus den Viehwaggons treiben und die Öfen bedienen.«
Einen Augenblick lang sah ich, wie seine Augen wild aufleuchteten.
»Würden Sie vielleicht lieber in ’nem kommunistischen Land leben, Lieutenant?« fragte er. »Würden Sie’s lieber sehen, wenn Louisiana von den Sandinisten beherrscht wird, so wie sie da unten in Nicaragua herrschen? Sie wissen doch, daß die Marxisten alle Puritaner sind, oder nicht? Das bedeutet, keine Spielkasinos und keine Pferderennen, kein Schnaps und keine Weiber, wennIhnen danach ist, keine Chance, an die große, fette Sore zu kommen, auf die alle scharf sind. Statt dessen müssen Sie mit ’nem Haufen anderer armseliger Typen stundenlang anstehen für das, was die Regierung an diesem Tag grade ausgibt. Wenn Sie da unten leben müßten, würden Sie sich vor lauter Langeweile ’ne Kugel in den Kopf jagen.«
»Ach, und das heißt, daß es plötzlich in Ordnung ist, jemand festzubinden und auseinanderzunehmen? Was mich an Leuten wie Ihnen so ärgert, ist die Tatsache, daß Sie jederzeit bereit sind, die halbe Welt zu opfern, um die andere Hälfte zu retten. Aber Sie stehen nie auf der Seite derer, die dabei einfach überfahren werden.«
»Das ist nicht redlich gedacht, Lieutenant. Erinnern Sie sich an das, was General Patton mal gesagt hat? Man gewinnt keine Kriege dadurch, daß man sein Leben für sein Land opfert, sondern dadurch, daß man dafür sorgt, daß die anderen verdammten Hundesöhne ihres opfern. Ich würde sagen, Sie sind ganz einfach ein schlechter Verlierer. Sehen Sie sich Andres hier an. Sehen Sie die kleinen grauen Narben um seinen Mund? Er hätte ein Recht drauf, bitter zu sein, aber er ist es nicht, jedenfalls nicht in übertriebenem Maß. Sag was für uns, Andres. Que hora es? «
»Doce menos veinte«, antwortete der hochgewachsene Mann mit dem dünnen Schnurrbart. Seine Stimme klang wie ein heiseres Pfeifen, als seien seine Lungen mit lauter kleinen Löchern durchsetzt.
»Andres hatte mal ’ne feste puta in einem von Somozas Bordellen. Eines Tages war er so unvorsichtig, ihr zuviel von der Arbeit zu erzählen, die sein Erschießungskommando zu tun hatte. Sie hatten ein Mädchen namens Isabella erschossen, das zu den Sandinisten gehörte und das sie in den Bergen gefangengenommen hatten. Er dachte, die Geschichte würde sich gut anhören, weil sie nämlich vor ihrem Tod gestanden und ein paar Dutzend weiterer Sandinisten verraten hatte. Was er nicht erzählte, war, daß alle Mitglieder seines Erschießungskommandos das Mädchen vergewaltigten, bevor sie es umlegten, und er wußte nicht, daß Isabella die Schwester seiner puta war. Als er das nächste Mal zu ihr kam, um mit ihr ein heißes Tänzchen zwischen den Laken aufzuführen, war es so heiß wie in der Bratpfanne des Teufels,und sie machte ihm eine große Cuba libre mit viel Eis und Zitronenscheiben, und er schüttete das Zeug sofort runter, gierig wie er nun mal war. Die Sache war nur, daß sie einen tüchtigen Schuß Salzsäure ins Glas getan hatte, und seit jenem Tag spuckt der arme alte Andres seine Innereien aus dem Hals, als wären es verkohlte Korken.«
»Sie sind wirklich ein Stück Scheiße, Murphy.«
»Nein, nein, Sie sehen das völlig falsch, Lieutenant. Ein paar von uns dienen unserem Land, andere, wie Fitzpatrick hier, stehen dabei im Wege, und die Mehrzahl, darunter auch Sie, geht einfach ihren
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