Neonregen (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
und er hat gesagt, daß Sie für nichts zu bezahlen brauchen. Aber wenn hier ’n Typ an der Theke sitzt und immer bloß Seven-Uptrinkt und eindeutig eine Waffe am Gürtel trägt, dann is das irgendwie –«
»Wie Milzbrand?« fragte ich.
»Na ja, vielleicht is Ihnen aufgefallen, daß niemand sonst an der Bar sitzt, Lieutenant. Das hat natürlich nichts mit Ihnen zu tun, sondern bloß mit den degenerierten Eiterbeulen in dem Laden hier. Sogar der Typ, der mich jeden Abend mit seinem ›Blabla‹ nervt, sitzt heut ganz hinten an der Wand. Sie müssen einfach verstehen, wie so ’n degeneriertes Hirn funktioniert. Schaun Sie, die bilden sich alle ein, sie wärn harte Burschen, aber wenn die sich zu weit vortraun und sich mit irgend ’nem schweren Jungen anlegen, der grade aus Angola kommt und sowieso schon ’ne Colaflasche in den Arsch gekriegt hat, dann muß immer ich einspringen und die Sache bereinigen.«
Ich bezahlte die Seven-Ups, die ich getrunken hatte, und wartete noch eine weitere halbe Stunde an einem kleinen Tisch hinten im dunklen Teil der Kneipe. Gail Lopez kam nicht. Ich ließ dem Barmann meine offizielle Karte mit der Telefonnummer meines Büros da und bat ihn, mich anzurufen, wenn sie auftauchen sollte. Er legte sein Wischtuch beiseite und beugte sich zu mir vor, bis sein Gesicht nur noch ein paar Zentimeter von meinem entfernt war.
»Einer von ihren Freunden is ’n großer Bursche aus Nicaragua mit ’nem Schnurrbart«, sagte er leise. »Lassen Sie sich von dem nich überraschen, Lieutenant. Der hat eines Abends draußen auf dem Parkplatz ’nen andern von der Achsel bis zum Bauchnabel einfach aufgeschlitzt. Er is einer von denen – wenn Sie die abklopfen, dann schneiden Sie ihm am besten gleich den Hals ab.«
Ich fuhr zurück nach Metairie zur Wohnung der kleinen Mexikanerin. Das Stückchen Klebeband war noch an Ort und Stelle. Ich suchte den Hausmeister auf und sagte ihm, ich könne ihn zwar nicht zwingen, mir die Wohnung zu öffnen, aber wenn er es täte, würde er wahrscheinlich nur noch leere Kleiderbügel finden. In weniger als zwei Minuten kam er mit dem Hauptschlüssel zurück.
Doch ich hatte mich getäuscht. Sie hatte nicht nur leere Kleiderbügelzurückgelassen. In ihrem Papierkorb fand ich einen Stapel zerknüllter Reiseprospekte, die für Rundreisen in die Karibik warben, nicht aber für San Antonio und die Friseurschule. Fitzpatrick, du bist doch ein armer Fisch, dachte ich.
Ich war ziemlich müde, als ich über den Lake Shore Drive nach Hause fuhr, vorbei am Rummelplatz, dessen großes Riesenrad sich hell erleuchtet am dunklen Himmel abzeichnete, und vorbei an der Universität von New Orleans mit ihren ruhigen dunklen Rasenflächen und schwarzen Bäumen, und ich fing an, ein absurdes Selbstgespräch zu führen, das mich beinahe von den Problemen ablenkte, die mir durch den Kopf gingen. Sollten doch Fitzgeralds Leute nach ihm suchen, dachte ich mir. Illegale Waffen und Sprengstoffe fallen schließlich in deren Zuständigkeitsbereich, nicht in deinen. Du hast dir die Sache mit dem toten schwarzen Mädchen aus dem Bayou aufgehalst, und du mußtest dafür die Verantwortung tragen, ob du wolltest oder nicht, als du Julio Seguras Hirn in Marmelade verwandelt hast. Und wenn’s dir darum geht, dich an Philip Murphy, Starkweather und dem kleinen Israeli zu rächen, dann hast du dir einfach den falschen Beruf ausgesucht. Irgendwann werden die sich selber ein Bein stellen, und dann wird jemand dasein, der sie hinter Schloß und Riegel bringt. Also laß die Finger davon, Robicheaux, sagte ich mir. Du mußt schließlich nicht immer einen langen Ball spielen. Manchmal hat auch ein kurzer Wurf seine Vorzüge.
Ich hatte auf diese Weise fast meine innere Ruhe wiedergefunden, als ich meinen Wagen in der kurzen, unbeleuchteten Straße parkte, die zu ein paar Sanddünen mit drei Kokospalmen und einem baufälligen alten Pier führte, an dem mein Hausboot lag. Ein festgetretener Weg, an dessen Rändern Salzgras wucherte, führte durch die Dünen, und die sich im Wind bewegenden Palmzweige warfen verwirrende Schatten auf den Sand und auf das Dach meines Hausboots. Das Wasser plätscherte am Bootsrumpf, und ich sah, wie das Mondlicht einen scheinbar endlosen hellen Streifen über den See warf. Ich ging über die Gangway und genoß das Gefühl des kühlen Windes auf meinem Gesicht und die vertrauten Unebenheiten der dünnen, altersschwachen Holzbretter unter meinen Füßen. Unter mir auf dem Sand
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