Neonregen (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Sie angeschlagen sind, dann versuchen die doch sofort, Ihnen auch noch ’ne Anklage wegen Totschlags anzuhängen.«
»Dieser Spezialagent, Fitzpatricks Vorgesetzter, weiß genau, wer dieser Abshire ist. Ich hab’s ihm an den Augen angesehen.«
»Wenn Sie anfangen, diesen Baum zu schütteln, kriegen Sie bloß lauter Vogelscheiße ab. Und außerdem sind Sie suspendiert. Sie sind raus aus dem Fall. Das ist endgültig.«
»Und was soll ich jetzt machen, Captain?«
»Sie müssen es einfach durchstehen. Ich hoffe jedenfalls, daß die Sache bald ausgestanden ist. Sagen Sie der ganzen Bande, sie sollen sich ins Knie ficken, und zur Not können Sie immer anfangen und stricken lernen.«
An diesem Abend betrachtete ich lange den Sonnenuntergang durch das Fenster. Der Himmel war scharlachrot über den Bäumen und Dächern, dann änderte er seine Farbe in Lavendel und schließlich in ein tiefes Violett, während die Sonne in einem strahlenden Feuerball am Horizont verglühte. Ich blieb noch eine Zeitlang im Dunkeln sitzen, dann nahm ich die Fernbedienung des Fernsehers und schaltete den Nachrichtenkanal ein. Ich sah Aufnahmen von salvadorianischen Guerillas an, die sich am Fuße eines erloschenen Vulkans einen Pfad durch den dichten Dschungel bahnten. Ihre Gesichter waren noch sehr jung, mit dünnen Barten wie bei Asiaten, und ihre Körper waren behängt mit Patronengurten und Leinengürteln voller Munition. Jeder von ihnen hatte sich lange Blätter Pampasgras in den Strohhut geflochten.
Einen Augenblick später zeigte der Bildschirm ohne jeden Zusammenhang eine andere Szene, in der Regierungstruppen in amerikanischen Uniformen einen Wald aus Bananenstauden und grünem Elefantenohrfarn durchkämmten. Ein Kampfhubschrauber vom Typ Cobra donnerte über den glasigen Himmel, schwebte eine Zeitlang in Schräglage über einer tiefen, felsigen Schlucht und feuerte dann eine ganze Serie Raketen ab, die auf dem Grunde der Schlucht eine Fontäne aus Wasser, Korallentrümmern und Teilen von Bäumen und Büschen auslöste. Der Bericht endete mit einer Aufnahme der Regierungstruppen, die sich mitsamt ihren auf Tragbahren liegenden Verwundeten aus dem Bananenwäldchen zurückzogen. Die Hitze unter den Bäumen mußte entsetzlich gewesen sein, denn die Verwundeten waren mit Schweiß bedeckt und die Sanitäter wuschen ihnen immer wieder die Gesichter mit Wasser aus ihren Feldflaschen. Es wirkte alles sehr vertraut.
Ich war in Louisiana aufgewachsen und hatte schon früh die Überzeugung gewonnen, daß die Politik nichts anderes ist als eine Spielwiese für moralische Krüppel. Aber ich war auch Glücksspieler und hatte bestimmte instinktive Vorstellungen davon, auf welcher Seite ich bei gewissen militärischen Situationen mein Geld setzen würde. Auf der einen Seite der Gleichung standen Leute, die zum Wehrdienst eingezogen worden waren und entweder zum Kämpfen gezwungen oder dafür bezahlt wurden und durchaus imstande waren, ihre Waffen an den Feind zu verschachern, wenn sich ihnen die Möglichkeit bot. Auf der anderen Seite stand eine Gruppe von Leuten, die im Dschungel lebten und zu Hause waren, sich Waffen und Munition beschafften, wann immer sie sie kaufen oder stehlen konnten, und absolut nichts von ökonomischem Wert zu verlieren hatten. Diese Leute machten sich keine Illusionen darüber, was sie erwartete, wenn sie gefangengenommen wurden, und deshalb kämpften sie bis zum letzten Mann. Ich bezweifelte, ob es in New Orleans einen einzigen Buchmacher gab, der in einer solchen Situation eine Wette annehmen würde.
Aber mit meinem Krieg war es vorbei, und mit meiner Karriere vielleicht auch. Ich schaltete den Fernseher ab und schaute wieder aus dem Fenster auf den Widerschein der Lichter am dunklenHimmel. Mein Zimmer war ruhig, die Laken waren kühl und sauber, und mein Magen fühlte sich längst nicht mehr so schlimm, aber die Stimmgabel in meinem Innern vibrierte immer noch. Ich putzte mir die Zähne, duschte, spülte mir noch einmal den Mund mit Listerine aus, dann kroch ich zurück ins Bett, zog die Knie an und fing plötzlich an, von Kopf bis Fuß heftig zu zittern.
Fünfzehn Minuten später unterschrieb ich meine Entlassung aus dem Krankenhaus und ließ mich von einem Taxi zu meinem Hausboot fahren. Es war eine dunkle, heiße Nacht, und die Kabine hatte sich den ganzen Tag über mächtig aufgeheizt. Meine Sammlung historischer Jazzschallplatten – unersetzliche alte 78er mit Aufnahmen von Blind Lemon, Bunk Johnson, Kid
Weitere Kostenlose Bücher