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Neonregen (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Neonregen (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Neonregen (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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Ory, Bix Beiderbecke usw. – lag zerschlagen und mit Fußspuren übersät auf dem Boden. Ich machte die Fenster weit auf und schaltete meinen Standventilator ein, dann sammelte ich die paar Platten ein, die noch unbeschädigt in ihren Hüllen steckten, reinigte sie mit einem weichen Lappen und stellte sie zurück ins Wandregal. Den Rest fegte ich zusammen und warf ihn in einen Abfallbeutel. Danach legte ich mich, immer noch angezogen, zum Schlafen auf die Couch.
    Kleine Wellen plätscherten am Rumpf des Bootes, das sich rhythmisch unter mir bewegte. Aber es half alles nicht, ich konnte nicht schlafen. Ich schwitzte und zitterte am ganzen Leib, und als ich mein Hemd auszog, fröstelte ich, als habe mich ein Schwall arktischer Kaltluft getroffen. Jedesmal wenn ich die Augen schloß, fühlte ich den Boden unter mir versinken, hatte ich Eindruck, als säße ich in meinem Wagen, der sich überschlagend auf den tief unter mir liegenden Grund eines Canyons zuraste, sah ich auf den Lippen des neben mir sitzenden toten Fitzpatrick Worte sich bilden wie große Blasen.
    Irgendwann später klopfte Annie leise an die Kabinentür. Ich schloß auf und ging im Dunkeln zurück zu meiner Couch. Eine draußen auf dem See vorbeifahrende Segeljacht hatte einen Scheinwerfer auf das Deck gerichtet, und das Licht warf goldene Reflexe auf Annies Haar. Ich sah, wie sie an der Wand nach dem Lichtschalter tastete.
    »Mach’s lieber nicht an«, bat ich.
    »Warum nicht?«
    »Wenn jemand grade aus dem Krankenhaus kommt, sieht er nicht besonders gut aus.«
    »Ist mir gleich.«
    »Aber mir nicht.«
    »Du wußtest doch, daß ich dich im Krankenhaus besuchen wollte. Warum hast du mir keine Nachricht hinterlassen?«
    »Ich dachte, das hätt ich getan. Vielleicht hab ich’s auch vergessen. Den ganzen Tag über hatte ich immer irgendwelche Polizisten bei mir.«
    Sie kam näher zu mir an die Couch. Sie trug weiße Jeans mit einem blauen Nietenhemd, das sie in den Gürtel gesteckt hatte.
    »Was hast du?« fragte sie.
    »Ich schätze, es ist die Malaria. Ich hab sie mir auf den Philippinen geholt.«
    »Ich mach doch lieber das Licht an.«
    »Nein.«
    »Du brauchst mir gegenüber nichts verbergen, Dave.«
    »Ich bin suspendiert ohne Bezüge. Ich fühl mich im Moment nicht besonders gut. Um die Wahrheit zu sagen, ich hätte Lust, jemand umzubringen.«
    »Ich verstehe nicht.«
    »Wenn die einen unbefristet ohne Bezüge vom Dienst suspendieren, dann bedeutet das, daß du wahrscheinlich nie mehr zurückkommst. Solche Maßnahmen ergreifen sie in der Regel bei Cops, die demnächst vor Gericht gestellt werden.«
    Sie setzte sich auf den Rand der Couch und legte ihre Hand auf meine nackte Schulter. Ihr Gesicht zeichnete sich als dunkle Silhouette vor dem Fenster ab. Dann berührte sie mit den Fingern leicht meine Stirn.
    »Ich kann’s einfach nicht glauben, daß sie ausgerechnet dir so was antun.«
    »Das hat was mit meiner Vergangenheit zu tun. Du weißt nichts davon. Ich war jahrelang Alkoholiker, und jetzt glauben sie, daß ich wieder rückfällig geworden bin.«
    »Aber das können sie dir doch nicht vorwerfen!«
    »Warum denn nicht? Das macht die Sache sehr viel leichter. Die meisten Polizisten können nicht mal so weit denken, daß siesich aus einer nassen Papiertüte befreien könnten. Die können bloß in bestimmten Kategorien und Klischees denken. Darum bringen wir ja auch so wenige Leute hinter Schloß und Riegel. Schau mal, da draußen laufen vier schleimige Elemente frei rum, die nicht mal ein gutes Stück Seife abgeben würden, und trinken ein Bierchen und feiern die Tatsache, daß sie einen Menschen zu Holzkohle verbrannt haben, während einige von unseren Leuten sich den Kopf zerbrechen, ob sie mir eine Anklage wegen Alkohol am Steuer anhängen sollen oder wegen Alkohol am Steuer in Verbindung mit fahrlässiger Tötung.«
    »Du redest heute so ganz anders als sonst.«
    »Annie, in der richtigen Welt da draußen grillen wir die Armen auf dem elektrischen Stuhl und schicken Priester ins Gefängnis, weil sie Musterungsunterlagen mit Hühnerblut übergossen haben. Das liegt einfach im Wesen der Dinge. Wir gehen das Problem abstrakt und symbolisch an, aber irgend jemand muß immer die Konsequenzen tragen. In diesem Falle war es so, daß ein Typ, der aussah, als kam er direkt aus ’ner Eiskremreklame, ganz allein und auf sich gestellt einen Kreuzzug gegen unsere offizielle Regierungspolitik in Mittelamerika begonnen hat. Stell dir vor, du wärst ein

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