Neonregen (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
meinem Lager unter dem Baum und ging zum Flußufer hinunter, wo ich bald merkte, daß die Männer sich über eine Szene amüsierten, die sich vor ihren Augen mitten im Fluß abspielte. Ein Wasserbüffel war zu weit hinausgewatet und in die reißende Strömung geraten, wo er jetzt mit den Hufen im lehmigen Grund festsaß und kaum noch seine Nüstern über Wasser halten konnte. Die Augen des Tieres waren vor Angst weit aufgerissen, und in seinen Hörnern hatte sich bereits eine Menge Treibgut aus dem Fluß verfangen. Der Besitzer des Büffels, der eine alte französische Legionärsmütze auf seinem spitzen Schädel trug und so dünn und knochig war, daß man denEindruck hatte, er sei aus alten Kleiderbügeln zusammengesetzt, rannte aufgeregt am Ufer auf und ab, ruderte wild mit den Armen und schrie uns in einer Mischung aus Vietnamesisch und einigen französischen Brocken etwas Unverständliches zu.
Zwei Vettern aus Conroe, Texas, hatten sich aus einem alten Stück Seil ein Lasso gemacht und waren zu dem Büffel hinausgewatet. Ihre braungebrannten Rücken waren vom Wasser benetzt und ließen deutlich ihre Muskeln und Rückenwirbel erkennen, wie sie grinsten und lachten und mit der bekifften Selbstsicherheit neunzehnjähriger Cowboys ihr Lasso warfen.
»Draußen gibt’s wahrscheinlich Untiefen«, rief ich ihnen zu.
»Passen Sie mal auf, Lieutenant«, rief einer der beiden zurück. »Wir ham den Schreihals schneller rausgezogen als ’nen Schweinepimmel.«
Dann sah ich plötzlich aus der reißenden braunen Strömung die knorrigen schwarzen Wurzeln eines im Strom treibenden Baumes auftauchen und wie eine riesige Klaue in die Luft greifen.
Der Stamm traf die beiden mit solcher Gewalt von der Seite, daß das Blut aus ihren Gesichtern wich. Ihre Münder waren weit aufgerissen, und sie spuckten eine Menge Wasser. Verzweifelt versuchten sie sich aus dem aufgewühlten gelben Schaum rings um den Baumstamm und den Wurzeln, die ihnen in die Augen stachen und ihre Gesichter zerkratzten, zu befreien. Der schlammglänzende Baumstamm drehte sich plötzlich in der Strömung und gewann so an Fahrt, daß er die beiden unter Wasser drückte. Wir warteten darauf, daß sie auf der anderen Seite in ruhigerem Wasser wieder auftauchen und das Wasser in glitzernden Tropfen aus ihren Haaren schütteln würden, aber wir sahen sie nie wieder.
Wir stocherten drei Stunden lang mit langen Stangen im Fluß herum und schleppten einen Greifhaken durch das Wasser. Anstelle unserer Männer zogen wir nur Gürtel mit alter französischer Maschinengewehrmunition, eine Kiste mit nicht explodierten japanischen Kartoffelstampfern, aus der rostiges Wasser und Schleim auf den Strand tropften, amerikanische Limonadendosen und ein Tragnetz voller toter Vietcong aus dem Wasser, die wahrscheinlich von einem unserer Hubschrauber in den Flußgeworfen worden waren. Als der Haken das straffgespannte Netz an die Oberfläche brachte, konnten wir durch das Geflecht hindurch Arme und Körper erkennen, die aussahen wie die Gefangener, welche längst ihrer ewigen Haft müde geworden waren.
Ich schrieb Briefe an die Familien der beiden jungen Männer in Conroe, Texas, in denen ich mitteilte, sie hätten ihr Leben gegeben, um das anderer zu retten. Man habe ihnen nicht das Leben genommen, sondern sie hätten es gegeben . Ich schrieb nicht, wie sehr ich es bedauerte, daß es keine Orden gab für die Unschuld und den großen Mut, deren es bedurfte, um auch in diesem Land, das nur für zynische Kolonialisten geschaffen schien, ein einfacher texanischer Junge vom Lande zu bleiben.
Eine Stunde später saß ich in einer wunderschönen alten Bar an der Magazine Street, die den Garden District von einem ausgedehnten schwarzen Wohngebiet mit verfallenen Holzhäusern aus dem neunzehnten Jahrhundert trennte, deren durchhängende Galerien und ungepflasterte Höfe mich immer an die Negerbehausungen auf den alten Pflanzungen im Sprengel Iberia erinnerten. Die Bar hatte, wie viele andere Gebäude an der Magazine Street, eine hölzerne Kolonnade vor dem Haus, große Fenster und Fliegendrahttüren, war im Innern mit einem langen Mahagonitresen mit Messingstangen und Deckenventilatoren ausgestattet und an den Wänden mit Werbeschildern für Hadacol, Dixie 45 und Dr. Nut, politischen Plakaten von Earl K. Long und einer Wandtafel geschmückt, auf der mit Kreide die Namen der Major-League-Baseballclubs und die Spielergebnisse notiert waren. Der Besitzer des Ladens hatte früher mal als
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