Neonregen (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
die Lungen verbrannt habe, wie dieser schreckliche Geruch sich in seiner Brust festgesetzt habe wie eine tote Schlange?
»Ich war auf einem Auge blind geworden, aber mußte weiterkämpfen für mein Land«, übersetzte Jaime für ihn. »So wie die anderen sich als Priester und Gewerkschafter tarnten, so tarnte ich mich als Radikaler, der die Somoza-Familie haßte. Aber eine dieser syphilitischen putas, ein wertloses Soldatenflittchen, hat mich verraten, weil sie dachte, ich sei schuld daran, daß sie die Fäule im Leib hatte. Die Sandinisten hielten mir eine Pistole an die Schläfe und zwangen mich, Petroleum zu trinken, und dann hielten sie mir ein brennendes Streichholz an den Mund. Ich habe von ihrer Hand schwer gelitten, aber mein Land hat noch weit mehr gelitten.«
»Wo stecken Philip Murphy und der Israeli?« fragte ich.
»Wer weiß? Murphy ist in Flughäfen und Apotheken zu Hause und findet seine Leute immer dann, wenn er sie braucht. Und die Juden bleiben sowieso immer unter sich. Vielleicht ist Erik bei dem reichen Juden, dem das Lagerhaus gehört. Diese Leute halten doch immer zusammen und sind überaus mißtrauisch gegenüber anderen.«
»Welcher Jude? Und welches Lagerhaus?«
»Das Lagerhaus, wo die Waffen für die Befreiung Nicaraguas gehortet werden. Aber ich habe keine Ahnung, wo das ist, und diesen Juden kenne ich auch nicht. Ich bin nur ein einfacher Soldat.«
Sein Gesicht war ausdruckslos. Seine Augen hatten den schlammigen, dumpfen Glanz eines Mannes, der glaubt, die offene Zurschaustellung seiner Unkenntnis sei eine akzeptable Erklärung für diejenigen, die die Macht haben, Urteile zu fällen.
»Ich werde Sie etwas Leichteres fragen«, sagte ich. »Was haben Sie und Ihre Leute mit Sam Fitzpatrick gemacht, bevor er starb?«
Jaime übersetzte, und das Gesicht des Nicaraguaners wurde plötzlich platt wie eine Schindel.
»Habt ihr ihn nicht gefoltert, indem ihr seine Genitalien mit Stromstößen behandelt habt?« fragte ich.
Er schaute auf den See hinaus, die Lippen fest zusammengekniffen. Er streckte seine Hand nach dem Rumglas aus und zog sie dann wieder zurück.
»Murphy hat die Befehle gegeben, aber ich hab den Verdacht, Sie und Bobby Joe haben sie mehr als bereitwillig ausgeführt. Dabei kam Ihnen Ihre Erfahrung doch sehr zugute.«
»Ich glaube, dieser Mann hat etwas sehr Böses in sich«, sagte Jaime. »Ich glaube, du solltest ihn den Leuten zurückgeben, die ihn hierhergebracht haben.«
»Ich fürchte, die haben kein Interesse mehr an ihm, Jaime. Der Mann, für den sie arbeiten, war nur drauf aus, seiner Konkurrenz eins auszuwischen.«
Sein kleines Gesicht unter dem Schirm der Baseballmütze blickte mich verständnislos an.
»Wir benutzen sie. Sie benutzen uns. Auf diese Weise bleiben wir alle im Geschäft«, erklärte ich.
»Wenn du mich nicht mehr brauchst, geh ich jetzt. Es ist nicht gut, den Sonntag mit einem solchen Mann zu verbringen. Ich hab diesen Geruch schon mal gerochen. Es ist der Geruch von großer Grausamkeit.«
»Ich danke dir, daß du mir geholfen hast. Wir sehen uns auf dem Rennplatz.«
»Schick diesen Mann fort, Dave. Nicht einmal ein Polizist sollte in das Dunkel der Seele dieses Mannes blicken.«
Nachdem Jaime gegangen war, dachte ich darüber nach, was er gesagt hatte. In der Tat, es war Zeit, daß jemand anders die Verantwortung für den Nicaraguaner auf sich nahm, dachte ich.
Ich legte ihm eine Handschelle um das eine Handgelenk und ging mit ihm hinaus zu meinem Mietwagen, wo ich die andere Handschelle an der Sitzgurthalterung auf dem Wagenboden vor dem Rücksitz festmachte. Dann ging ich zurück ins Hausboot, steckte das Tonbandgerät in meine Tasche und suchte mir aus dem Telefonbuch die Nummer von Nate Baxter von der Abteilung Internal Affairs heraus.
»Ich hab hier einen der Burschen, die Fitzpatrick auf dem Gewissen haben«, sagte ich. »Ich möchte, daß wir uns unten im Büro treffen.«
»Sie haben wen?«
»Den Nicaraguaner. Ich hab ihm Handschellen angelegt und werde ihn einbuchten.«
»Sie sind suspendiert, Robicheaux. Sie werden niemanden einbuchten.«
»Nun, ich kann ihn nicht selber einliefern, aber ich kann Anzeige erstatten.«
»Haben Sie schon wieder getrunken?«
»Vielleicht wär’s besser, wenn ich mit dem Kerl bei Ihnen zu Hause vorbeikomme.«
»Hören Sie, ich werd schon mit Ihnen fertig, egal, wie Sie’s anstellen. Aber ich warne Sie. Belästigen Sie mich mit Ihren verrückten Ideen nicht im Privatleben. Falls Sie’s
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