Neonregen (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
sagte er dann beinahe flüsternd. Seine Stimme hatte jeden drohenden oder verletzenden Tonfall verloren.
»Gehen Sie nach Hause, Lieutenant. Sie können hier nichts weiter erreichen«, sagte der Sergeant hinter mir. Er war ein kräftiger Mann mit einem untersetzten Körper, einem gesund aussehenden Gesicht und einem sorgfältig getrimmten blonden Schnurrbart.
Ich öffnete die Faust und wischte meine schwitzende Hand an der Hose ab.
»Tun Sie mir den Gefallen und legen Sie die Handschellen bitte in meine Schreibtischschublade«, sagte ich.
»Natürlich«, sagte der Sergeant.
»Und hören Sie, Sie können Purcel sagen –«
»Gehen Sie lieber nach Hause, Lieutenant«, unterbrach er mich. »Es ist ein schöner Tag da draußen. Wir werden schon damit fertig.«
»Ich möchte Anzeige erstatten gegen diesen Mann«, sagte ich. »Benachrichtigen Sie Captain Guidry. Und sorgen Sie dafür, daß niemand diesen Typen wieder auf freien Fuß setzt.«
»Kein Problem, Lieutenant«, antwortete der Sergeant.
Ich ging mit steifen Schritten durch den Bereitschaftsraum, mein Gesicht angespannt und ausdruckslos unter dem kollektiven Starren der uniformierten Polizisten. Meine Hand zitterte immer noch, als ich das Formular mit der Anzeige gegen den Nicaraguaner wegen Angriffs mit einer tödlichen Waffe, Entführung und Mord ausfüllte.
Draußen auf der Straße traf mich das gleißende Sonnenlicht wie ein Schlag auf die Augen. Ich trat für eine Weile in den Schatten, damit sich meine Augen an die Helligkeit gewöhnen konnten, und sah Clete in einem gelbvioletten T-Shirt mit LSU-Aufdruck und abgeschnittenen Ärmeln und seinen rot-weißen Budweiser-Shorts auf mich zukommen. Der Schatten des Gebäudes fiel über sein Gesicht, so daß er aussah, als sei er aus lauter unpassenden Teilen zusammengesetzt.
»Wie sieht’s aus, Dave?« Seine Augen blinzelten mich aus dem blendenden Sonnenlicht heraus an, ohne jedoch meinem Blick standzuhalten. Ich hatte den Eindruck, als würde er auf einen Punkt kurz hinter meinem rechten Ohr schauen.
»Ich hab den Nicaraguaner eingeliefert. Didi Gees Leute haben ihn bei mir auf dem Dock abgeladen.«
»Der Fettwanst ist dabei, der Konkurrenz eins auszuwischen, was?«
»Ich dachte, du würdest dich vielleicht gern mal mit ihm beschäftigen.«
»Und wozu?«
»Vielleicht hast du ihn schon mal irgendwo gesehen.«
Er zündete sich eine Zigarette an und blies den Rauch in das Sonnenlicht.
»Hast du gemerkt, daß du an deiner rechten Hand Blut hast?« sagte er.
Ich zog mein Taschentuch und rieb mir damit die Knöchel sauber.
»Was ist passiert?« fragte er.
»Nate Baxter hatte einen kleinen Unfall.«
»Du hast Nate Baxter eine verpaßt? Gott im Himmel, Dave, weißt du, was du machst?«
»Warum hast du das getan, Clete?«
»Ein verdammter Mistkerl weniger im Spiel. Was kümmert’s dich?«
»Ein schlechter Polizist hätte die Sache einfach runtergespielt. Er hätte gesagt, daß Starkweather direkt und ohne Warnung auf ihn losgegangen ist und er ihn hätte ausschalten müssen. Immerhin hast du dich nicht hinter deiner Dienstmarke verschanzt.«
»Du hast mir mal gesagt, was gestern war, ist nur eine verblassende Erinnerung. Also, ich erinnere mich nicht mehr an gestern. Außerdem ist mir das, was gestern war, vollkommen gleichgültig.«
»Wenn du der Sache nicht ins Auge blickst, Clete, wirst du sie nie los.«
»Du glaubst vielleicht, der ganze Scheiß ist eine politische Angelegenheit und hat mit Prinzipien und nationaler Integrität oder so was zu tun. Aber wir sprechen von einem Haufen von Perversen und Heroinhändlern. Wie man diese Leute aus dem Verkehr zieht, spielt überhaupt keine Rolle. Ob man sie ins Gefängnis steckt oder ob man sie umlegt – alles, was die Leute interessiert,ist die Tatsache, daß sie nicht mehr frei rumlaufen. Mein Onkel ging in den vierziger Jahren Streife im Irish Channel. Wenn die damals ’n paar Kerle erwischten, die die Gegend unsicher machten, dann brachen sie ihnen Arme und Beine mit Baseballschlägern und ließen nur einen übrig, damit er die andern aus der Stadt bringen konnte. Damals hat sich niemand drüber beschwert. Und auch heute würde sich niemand beschweren, wenn wir das gleiche täten.«
»Aber mit diesen Leuten ist nicht zu spaßen, die heuern keine kleinen Teilzeitganoven an.«
»Ach ja? Na, darüber werd ich mir den Kopf zerbrechen, wenn ich wieder mehr Zeit habe. Im Augenblick sieht mein Privatleben eher so aus, als wär’s ’n Werbespot
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