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Neonregen (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Neonregen (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Neonregen (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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unterwürfigerHund einen anschauen würde, wenn man versuchte, ihn mit Hilfe eines Stockes in einen Käfig zu treiben.
    »Qué quiere?« fragte er mit rauer Stimme.
    Es war eine seltsame, merkwürdige Geschichte, die er erzählte. Sie war selbstbezogen, ausweichend und aller Wahrscheinlichkeit nach voller Lügen, aber wie bei allen brutalen und grausamen Menschen waren es eher seine unschuldigen Eingeständnisse und seine zur Selbstverteidigung vorgebrachten Erklärungsversuche, die verdammungswürdiger und abscheulicher wirkten als alle Verbrechen, derer andere ihn anklagen mochten.
    Er hatte sieben Jahre lang als Sergeant in Somozas Nationalgarde gedient, als MG-Schütze in einem Kampfhubschrauber, und war in zahlreichen Einsätzen gegen die Kommunisten in den Dschungeln und Bergregionen des Landes dabeigewesen. Es war ein Krieg, in dem es immer wieder zu Konflikten mit der Zivilbevölkerung des Landes kam, weil die Kommunisten sich unter den Dorfbewohnern versteckten und sich als Arbeiter in den Reisfeldern oder Kaffeeplantagen tarnten, und wenn die Hubschrauber der Armee in zu geringer Höhe flogen, wurden sie häufig vom Boden aus beschossen, wobei die Bauern immer leugneten, daß es dort Sandinisten oder Waffen gäbe. Wie sollte man also vorgehen? Das war ein Dilemma, welches zumindest ein Amerikaner, der in Vietnam gewesen war, nachvollziehen konnte. Wenn man Krieg führt, kann man eben nicht immer differenzieren und Rücksicht nehmen.
    Die Soldaten trugen Uniformen und zeigten sich offen wie wahre Männer, während die Kommunisten sich durch die arme Bevölkerung schlichen und mit den Methoden von Feiglingen und Homosexuellen kämpften. Wenn ich ihm nicht glaubte, brauchte ich mir bloß sein Auge anzusehen. Er zog die Haut der einen Gesichtshälfte herunter und zeigte mir den toten, schlaffen Muskel unter der Retina. Der Kampfhubschrauber seiner Einheit sei in niedriger Höhe über einem gesicherten Gebiet geflogen, und unten habe er gesehen, wie Indianer auf den Feldern Heu aufgeschichtet hätten, und plötzlich habe eine Rakete die gepanzerte Unterseite des Hubschraubers durchschlagen, wobei einer der Männer durch die Tür nach draußen geschleudert worden sei und sich Andres ein nadelspitzes Stück Stahl in den Augapfel gebohrthabe. Der amerikanische Journalist, der das Militärkrankenhaus in Managua besuchte, habe kein Interesse für seine Geschichte gezeigt und auch keine Fotos von Andres gemacht. Die Presseleute hätten ohnehin immer nur die toten und verwundeten Kommunisten fotografiert. Das habe vor allem daran gelegen, daß die amerikanische Presse nichts so sehr fürchtete, als von ihresgleichen als rechtsstehend bezeichnet zu werden. Ähnlich wie die katholischen Maryknoll-Missionare gaben sich die Presseleute deshalb alle Mühe, mit ihren politischen Überzeugungen hinter dem Berg zu halten, und zwar auf Kosten der Bevölkerung des Landes.
    Wenn ich mich durch das, was er zu sagen hatte, angegriffen fühle, fuhr er fort, dann solle ich nicht vergessen, daß er sich das Exil in unserem Land ebensowenig ausgesucht habe wie die Verletzungen, die er an Stimmbändern und Lunge davongetragen habe.
    »Ich habe gehört, daß seine Freundin ihm was ganz besonderes zum Gurgeln verabreicht hat«, sagte ich.
    »Was soll das heißen?« fragte Jaime.
    »Er und ein paar andere haben ein Mädchen vergewaltigt, ehe sie sie hingerichtet haben, und die Schwester des Mädchens hat unserem Freund hier später Salzsäure in den Drink getan.«
    »Ist das wahr?« fragte Jaime noch einmal. Er war ein kleiner, zart gebauter Mann mit einem sensiblen Gesichtsausdruck. Er trug ständig eine Baseballmütze der New York Yankees und drehte seine Zigaretten selbst mit illegalem kubanischen Tabak. Sein spielzeugartiges Gesicht wandte sich von mir ab und dem Nicaraguaner zu.
    »Unser Mann aus Managua erzählt uns ’nen Haufen Scheiße, Jaime.«
    Der Nicaraguaner schien verstanden zu haben, was ich gesagt hatte.
    Die Geschichte mit der Hinrichtung und der Säure sei eine Lüge, sagte er, eine Erfindung von Philip Murphy und diesem Starkweather. Die beiden hätten Spaß daran, andere zu verunglimpfen, weil sie keine richtigen Soldaten seien. Murphy sei ein Morphiumsüchtiger, der nur seinen eigenen Körper liebe und sich deshalb immer wieder Nadeln hineinsteche. Er täte nur so,als sei er mutig, dabei sei er schlaff wie eine Frau und könne keine Schmerzen aushalten. Ob ich wirklich wissen wolle, wie er, Andres, sich die Kehle und

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