Neonregen (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Leute einer Sache müde werden, dann erledigt sich das Problem von alleine. Und in der Zwischenzeit wird auch kein Dave Robicheaux die Welt nachhaltig verändern können. Mein Bruder Jimmie hatte das längst erkannt. Er kämpfte nicht gegen die Welt an, er beschäftigte sich mit elektronischen Pokerautomaten und Pferdewetten, und ich hatte den Verdacht, daß er auch Whiskey und Rum verkaufte, der ohne Steuerbanderolen von den Inseln ins Land geschmuggelt wurde. Aber er war immer ein echter Gentleman, und alle mochten ihn. Polizisten konnten in seinem Restaurant umsonst frühstücken, Parlamentsabgeordnete tranken sich an seiner Bar die Hucke voll, Richter stellten ihn in aller Form und Höflichkeit ihren Gattinen vor. Seine Konflikte mit dem Gesetz beträfen nur Lizenzen, keine ethischen oder moralischen Probleme, pflegte er mir immer zu sagen.
»Wenn mal der Tag kommt, daß die Menschen nicht mehr spielen und trinken wollen, dann werden wir beide unseren Job verlieren. Bis dahin solltest du mit dem Strom schwimmen, Brüderchen.«
»Tut mir leid«, hatte ich immer geantwortet. »Für mich klingt das immer ein bißchen nach Gosse. Wahrscheinlich hab ich einfach zuviel Phantasie.«
»Nein, du glaubst eben an die Welt, wie sie sein sollte, und nicht an die Welt, wie sie ist. Das ist auch der Grund, warum du immer den gleichen gehetzten Eindruck auf mich machen wirst wie heute, Dave.«
»Gibt’s eigentlich für so was eine Möglichkeit zum Wiederaufladen?«
»Wie soll ich das wissen, ich bin bloß ein kleiner Gastwirt. Du bist doch derjenige, der immer irgendwo im Krieg war und gekämpft hat.«
Die Ironie des Schicksals wollte es, daß ich durch ein kastanienbraunes Cadillac-Kabriolett mit makellos weißem Faltverdeck aus meinen Gedanken gerissen wurde, als der Wagen etwa sieben oder acht Meter von meiner Bank entfernt am Straßenrandhielt und auf jeder Seite zwei von Didi Gees Gorillas ausstiegen. Sie wirkten jung und geschmeidig und trugen leichte Sommerhosen und am Kragen offene Hemden sowie goldene Medaillons um den Hals. Ihre verspiegelten Sonnenbrillen und die mit Troddeln geschmückten Nettleton-Schuhe waren fast schon eine Art Uniform. Was mir jedoch an dieser Sorte von kleinen Mafia-Gangstern immer ganz besonders auffiel, waren zum einen der nichtssagende Ausdruck ihrer Gesichter, beinahe so, als wären sie mit Talg oder Wachs beschichtet, und zum anderen die toten Sprachmuster, die sie verwendeten und die sie wohl für besonders hochgestochen und raffiniert hielten. Die einzige politische Herrschaftsform, die wirklich effektiv mit solchen Leuten umgehen konnte, war die von Mussolini. Die Faschisten rissen ihnen mit der Kneifzange die Haare und Fingernägel aus, erschossen sie oder schickten sie in den Krieg gegen die Griechen. Deswegen reagierte die Mafia auf die Befreiung durch die Alliierten 1943 mit so großer Freude und Erleichterung.
»Morgen, Lieutenant. Mr. Giacano lädt Sie zum Lunch in sein Haus ein«, sagte der Fahrer. »Sie können gleich mit uns raus, wenn’s Ihnen recht ist. Draußen bei Chalmette haben sie die Straße aufgerissen.«
»Ich bin mir nicht sicher, wo ich Sie mit Ihrer Sonnenbrille einordnen soll. Sind Sie Joe Milazzo?«
»Richtig. Ich hab früher die Pizzeria von meinem Onkel direkt gegenüber von Ihrem Büro geleitet.«
Das war allerdings nicht der Grund, warum ich mich an seinen Namen erinnerte. Er war Bote und Kassierer für die Wettorganisation seines Onkels gewesen und hatte immer Wetten an den Parimutuel weitergegeben, wenn sein Onkel sich zuviel aufgeladen hatte. Aber vor etwa einem Jahr hatte ich auch gerüchteweise gehört, daß er und sein Onkel einen Vollblüter mit einer Kapsel Aufputschmitteln gedopt hatten, die dem armen Tier auf der Gegengeraden im wahrsten Sinn des Wortes das Herz gesprengt hatte.
»Was hat Didi denn für Probleme?« fragte ich.
»Er hat einfach gesagt, wir sollen Ihnen die Einladung überbringen, Lieutenant.«
»Ich bin leider ein bißchen sehr beschäftigt heute.«
»Er hat auch gesagt, wenn’s Ihnen zuviel ist, zu ihm rauszufahren, dann lädt er Sie gern zum Lunch in Mama Lido’s ein.«
»Richten Sie ihm aus, daß ich mich trotzdem für die Einladung bedanke.«
»Ich glaub, es hat irgendwie mit den Leuten zu tun, die Ihnen die ganzen Schwierigkeiten gemacht haben. Wenn Sie wollen, können Sie das Telefon in unserm Wagen benutzen und mit ihm sprechen.«
»Ich weiß es zu schätzen, daß er am Sonntag versucht hat, mir zu helfen.
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